2 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 8.)
daß man im Bereiche dieser Staatszugehörigkeit unserer natürlichen natio-
nalen Entwickelung keine Hindernisse in den Weg stelle. Indem wir, ebenso
wie die anderen, alle Pflichten erfüllen und dieselben Lasten tragen, die
uns von dem Staate auferlegt werden, haben wir dafür das Recht, zu
verlangen, daß man uns achte und als besondere nationale Einheit an-
erkenne. Polnische Wähler, das Parlament ist aufgelöst, ihr habt nun Ge-
legenheit zu sprechen und eueren Willen kundzutun.
8. Januar. (Preußen.) Ministerpräsident Fürst Bülow
eröffnet den Landtag mit folgender Thronrede:
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Land-
tages! Seine Majestät der Kaiser und König haben mich mit der Eröffnung
des Landtages der Monarchie zu beauftragen geruht. Bei anhaltender
Steigerung der Einnahmen aus den direkten und indirekten Steuern sowie
aus den Erträgnissen der meisten Staatsbetriebe hat sich die Finanzlage
des Staates fortgesetzt günstig gestaltet. Das Rechnungsjahr 1905 hat
einen höheren Ueberschuß als das Vorjahr ergeben, und auch für das
laufende Rechnungsjahr könnte ein noch günstigerer Abschluß erwartet
werden, wenn nicht der größte Teil der Mehreinnahmen im Verkehrs-
interesse zu einer schleunigen außerordentlichen Verstärkung der Eisenbahn-
betriebsmittel verwendet werden müßte. Der Staatshaushalt für 1907 hält
in Einnahmen und Ausgaben das Gleichgewicht. Entsprechend den ge-
steigerten Einnahmen sind für fast alle Zweige der Staatsverwaltung
Mehraufwendungen in größerem Umfange in Aussicht genommen. Bei
reichlicher Bemessung der Mittel zur Deckung dauernder Ausgaben haben
die einmaligen und außerordentlichen öffentlichen Bedürfnisse eine weit-
gehende Berücksichtigung finden können. Gehaltsverbesserungen sind für
mehrere Klassen von mittleren und unteren Beamten des Außendienstes
vorgesehen, bei welchen die an ihre dienstliche Tätigkeit und Verantwort-
lichkeit zu stellenden höheren Anforderungen eine Steigerung der Gehalts-
sätze besonders dringlich machen. Die geringst besoldeten Unterbeamten
sollen erhöhte einmalige und außerordentliche Unterstützungen erhalten;
auch werden zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse der in Staats-
betrieben beschäftigten Arbeiter und gering besoldeten Beamten wie in den
Vorjahren besondere Mittel von Ihnen erbeten werden. Die Verabschiedung
der Reichsmilitärpensionsgesetze vom 31. Mai 1906 läßt gewisse Abände-
rungen der Zivilpensionsgesetze erforderlich erscheinen und gibt erwünschten
Anlaß zu einer Aufbesserung der den pensionierten Beamten und den
Hinterbliebenen verstorbener Beamten zu gewährenden Bezüge. Die hierzu
bestimmten Gesetzentwürfe sind in der Ausarbeitung begriffen. Zur Er-
weiterung des Staatseisenbahnnetzes und zur Vervollständigung seiner An-
lagen durch zweigeleisigen Ausbau verkehrsreicher Strecken sowie zur Unter-
stützung von Kleinbahnunternehmungen wird Ihnen wiederum eine Vor-
lage zugehen. Im Anschluß an das Gesetz vom 5. Juli 1906 wird die
Einbringung einer Vorlage beabsichtigt, welche die Vorschriften des all-
gemeinen Berggesetzes über das Muten und Verleihen nach verschiedenen
Richtungen abändert und insbesondere die Gewinnung der Steinkohle und
der Salze fortan dem Staate vorbehält. Die gegenwärtige Lage in den
östlichen Provinzen zeigt deutlicher denn je, daß Preußens geschichtliche
Aufgabe der Stärkung des Deutschtums in diesen Landesteilen zu ihrer
Lösung die ernstesten Anstrengungen erfordert. Die Königliche Staats-
regierung hält die kraftvolle und beharrliche Durchführung der zur Er-
füllung dieser Aufgabe eingeleiteten staatlichen Maßnahmen für unbedingt
notwendig. Sie wird dem Landtage eine entsprechende Gesetzesvorlage