Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

Bas Hesche Reich und seine rinzelnen Glieder. (Juni'August.) 127 
über eine geplante, geheime deutsche Laienorganisation, die eine Petition 
um Reform des Index an den Papst richten wolle und mit Plänen einer 
Kirchentrennung umgehe. Leiter dieses „katholischen Kulturbundes"“ seien 
namentlich Münstersche Professoren. Hiergegen veröffentlichen die Leiter 
des Unternehmens folgende Erklärung: 1. Aus den bisher veröffentlichten 
Schriftstücken und Erklärungen ergibt sich ohne weiteres, daß es eine Ent- 
stellung der Wahrheit ist, wenn man uns die Absicht einer Trennung von 
der Autorität der Kirche unterschiebt. 2. Unsere Absicht, gemäß dem 
dringenden Rat wohlunterrichteter Fachtheologen, die Bittschriften nicht 
nur zunächst den Bischöfen, sondern gleichzeitig auch Seiner Heiligkeit in 
Rom zu überreichen, kann um so weniger befremdlich erscheinen, und ist 
um so korrekter, als a) der unmittelbare Weg zum Heiligen Vater bislang 
jedem Katholiken jederzeit von Rechts wegen zustand und b) angesichts der 
Beteiligung verschiedener Diözesen und Länder Rom als die einzige ge- 
meinsame Instanz aller von vornherein notwendig mitberücksichtigt werden 
mußte. 3. Jeder Katholik, der Geistliche und auch der Laie, hat nicht 
nur Pflichten, sondern auch Rechte. So ist jeder Laie unter anderem be- 
rechtigt, zu erlaubten Zwecken mit anderen Laien zusammenzutreten, ohne 
grundsätzlichen Ausschluß des Klerus die Pflege des Laienapostolats zum 
Gegenstand seiner Pläne und Unternehmungen zu machen, als Sohn der 
heiligen Kirche vertrauensvoll Bittschriften an den Heiligen Vater vorzu- 
bereiten und durch Organisation das Gewicht der für seine Anliegen ge- 
sammelten Unterschriften zu erhöhen. Jede Verkümmerung dieser Rechte 
liegt der kirchlichen Autorität fern und widerspricht deren Lebensinteresse. 
Es muß also schon der Versuch, unser Vorgehen als unrechtmäßig hinzu- 
stellen, als ein völlig unkirchliches Unterfangen zurückgewiesen werden. Aus 
Anlaß des vatikanischen Konzils sagte der Bekennerbischof Mathias Eber- 
hard von Trier in seinem Fastenhirtenbrief von 1869 wörtlich, „daß in 
einem allgemeinen Konzil zwar nur die Bischöfe als die Nachfolger der 
Apostel entscheidendes Stimmrecht haben, daß aber nicht bloß ihre, sondern 
aller Glieder der Kirche Erfahrung und Einsicht dort gehört und beachtet 
werde, daß nicht nur Priester, auch Laien, selbst in wichtigen Fragen Ein- 
fluß auf die Beschlüsse der Konzilien zu üben berufen sein könnten“ (zit. 
nach den Stimmen aus Maria-Laach, Einleitungsband 1, Buch V, S. 21). 
4. Aus der Geheimhaltung des ganzen Unternehmens kann irgend ein be- 
ründeter Vorwurf nicht hergeleitet werden, denn schon die bisherigen 
Folgen des unverantwortlichen, gewissen- und charakterlosen Vertrauens- 
bruchs müssen jeden Einsichtigen mit zwingender Notwendigkeit davon über- 
zeugen, daß durch die Auslieferung an die Oeffentlichkeit eine schwere 
Schädigung kirchlicher Interessen eingetreten ist. 5. Jede sachliche Kritik 
ist uns in der vorhandenen verantwortungsvollen Lage besonders will- 
kommen und wird der endgültigen Fassung der Bittschrift zugute kommen. 
6. Wir erklären uns in allen unternommenen Schritten solidarisch und be- 
merken, daß nur diejenigen öffentlichen Erklärungen und Ausführungen 
von uns stammen, welche ausdrücklich als authentisch bezeichnet oder aber 
mit unserem vollen Namen versehen sind. 7. Endlich bitten wir um posi- 
tive Mitarbeit auf der bereits gewonnenen breiten und stets kirchlich korrekt 
gebliebenen Basis. Münster, den 16. Juli 1907. Justizrat Hellraeth. 
Assessor Dr. ten Hompel. Prossor Dr. Plaßmann. Schmedding, Mitglied 
des Hauses der Abgeordneten. Professor Dr. Schwering. 
Der katholische „Bayerische Kurier“ schreibt hierzu: Bei Berück- 
sichtigung dieser neuen Meldungen gewinnt die päpstliche Kundgebung an 
Professor Commer, die manchem nicht vollbegründet erscheinen wollte, ein 
anderes Gesicht: Es ist der erste Schritt zu einer kirchlichen Aktion gegen
	        
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