Das Beessche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli Ende—6. August.) 133
Ende Juli. Anfang August. Differenzen in der sozialdemo-
kratischen Partei.
In den „Sozialistischen Monatsheften“ empfiehlt Edmund Fischer
eine Mittelstandspolitik, um den Mittelstand zu gewinnen, ohne den die
Arbeiter stets in der Minderheit bleiben müßten. — Ebenda sagt Karl
Leuschner über die Bedeutung des Krieges: Die Nichts-als-Friedensbegeiste-
rung ist ein Gefühl der Satten, die es so wohlig haben wollen, daß sie
auch kein grausamer Anblick stören soll, ist eine Dämmerungsphilosophie,
ein Epikureismus, dem Leben und zärtlich behüteter Leib die höchsten
Güter des Daseins sind. Die Sozialdemokratie verabscheut nicht minder das
Blutvergießen, so sehr, daß sie sogar den Krieg im Frieden des Maschinen-
saales verbannen möchte; ihre ganze Arbeiterschutzpolitik ist erfüllt
von dem tiefen Empfinden für den Kulturwert jedes einzelnen Menschen-
lebens. Doch sie kennt höhere Güter als das Leben, Ziele, für die man
das Leben einsetzen darf, wenn sie auch keinem der modernen Staaten
das Recht und die Fähigkeit zugesteht, solche Ziele weisen zu können. Und
selbst den ungerechten Krieg hat der Sozialdemokrat als Politiker nie bloß
als Blutvergießen und Massenmorden angesehen, ohne ihn zugleich im Zu-
sammenhang der weltgeschichtlichen Ereignisse zu erfassen. Berühmtes
Zeugnis dessen sind die Schriften, mit denen Lassalle, Marx und Engels
die Kriege Napoleons III. und Bismarcks begleiten. Hier verläuft die
männliche Linie am Stammbaum der Humanität, und wir wollen zu ihr
gehören.
Anfang August. (Oberschlesien.) Bergarbeiterausstand.
1. August. (Hessen.) Feier des dreihundertjährigen Be-
stehens der Landesuniversität Gießen.
3.;6. August. (Swinemünde.) Zusammenkunft des Kaisers
mit dem Zaren. — Fürst Bülow und der russische Minister des
Auswärtigen Iswolski nehmen teil.
Am 2. schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“": Als will-
kommener Gast trifft morgen Seine Majestät der Kaiser Nikolaus von
Rußland vor Swinemünde ein, um mit unserem Kaiser einige Tage freund-
schaftlichen Beisammenseins zu verleben. Indem der Zar die Fahrt in
die deutschen Gewässer unternimmt, erwidert er den Besuch, den Kaiser
Wilhelm im Juli des Jahres 1905 dem Herrscher des befreundeten Nachbar-
reiches in den finnischen Schären abgestattet hat. Die Begegnung entspricht
einer alten, von beiden Seiten gern geübten Gepflogenheit; sie bringt aufs
neue die Freundschaft zum Ausdruck, welche beide Monarchen als Ver-
mächtnis ihrer Vorfahren überkommen und treu bewahrt haben. Die
Swinemünder Tage werden vornehmlich persönlichem Verkehr dienen. Be-
stimmte politische Zwecke haben die Zusammenkunft nicht veranlaßt. Es
liegt somit für niemanden ein Grund vor, die Begegnung der Monarchen
mit Argwohn oder Mißtrauen zu beobachten. In Deutschland begrüßt
man mit Befriedigung in dem Besuche des Zaren die Bekundung der herz-
lichen Beziehungen zwischen den beiden Herrscherhäusern und den beiden
durch viele Interessen miteinander verbundenen Reichen. Wir wissen uns
im Einklang mit den Empfindungen des deutschen Volks, wenn wir der
Monarchenbegegnung einen glücklichen und ersprießlichen Verlauf wünschen.
Bei der Abschiedsfeier an Bord der russischen YNacht „Standart"
bringt der Zar folgenden Toast aus: „Ich bin glücklich, daß Ich diese