136 Do#s BHeuische Reich und seine einelnen Glieder. (August 17./24.)
Vereins zum Schutze des Deutschtums in den OÖstmarken fordert,
daß die Ansiedlungskommission mit dem Enteignungsrecht und einem
Einspruchsrecht bei Veräußerungen ausgestattet, sowie daß in öffent-
lichen Versammlungen nur die deutsche Sprache gestattet wird.
17.—24. August. (Stuttgart.) Internationaler Sozialisten-
kongreß. Militarismus und Kolonialpolitik. Charakter der deut-
schen Sozialdemokratie.
Vorsitzender ist Abg. Singer. Abg. Bebel polemisiert gegen die
Agitation des Franzosen Hervé, der in dem Vaterlande eine dem Prole-
tariat feindliche Einrichtung der herrschenden Klassen sehe und die Ver-
schiedenheit der Nationen leugne. Das Kulturleben könne sich aber nur
auf der Grundlage der Muttersprache und auf dem Boden der Nationen
entwickeln. Hervé: Die deutschen Sozialisten seien nur noch Wahl- und
Zahlmaschinen, eine Partei mit Mandaten und Kassen, die mit Stimm-
zetteln die Welt erobern wolle. Wenn auch 1871 Bebel als Rebell ius
Gefängnis gegangen sei, jetzt fürchte die deutsche Sozialdemokratie den
Kampf mit der Regierung und habe nicht mehr den Mut, dem preußischen
Zuchthause zu trotzen. Die deutschen Proletarier seien alle zufriedene und
satte Spießbürger, die leider einen solchen Kadavergehorsam hätten, daß
sie dem „Kaiser Bebel“ auch in einen Krieg folgen und ihre Bajonette
auf die Brust der französischen Proletarier setzen würden, die die Barri-
kaden mit der roten Fahne der Revolution verteidigen.
Abg. v. Vollmar: Für die deutschen Genossen könne er die Er-
klärung abgeben, daß in keiner Partei der Welt nationaler Chauvinismus
eine geringere Rolle spiele als bei den Deutschen, und daß die Geißel des
Militarismus nirgends schärfer bekämpft werde als in Deutschland. Aber
der Begriff Internationalität sei nicht gleichbedeutend mit Antinationalität.
Die Liebe zur Menschheit werde ihn niemals verhindern, ein guter Deutscher
zu *½ Es sei utopistisch, davon zu sprechen, die Nationen anfhören
zu lassen.
Lebhaft wird diskutiert über die Kolonialfrage. Hier wirft namentlich
Kol (Holland) den deutschen Sozialdemokraten vor, ihre Pflicht nicht getan
zu haben. Sie hätten sich in den Schmollwinkel gestellt anstatt mitzu-
arbeiten wie die holländischen Genossen z. B. durch Ausarbeitung eines
kolonialen Minimalrechts den Eingeborenen zu Hilfe zu kommen. Abg.
Ledebour verteidigt die Deutschen. Nach mehreren stürmischen Szenen
wird folgende Resolution über die Kolonialpolitik angenommen: Der
Kongreß ist der Ansicht, daß die kapitalistische Kolonialpolitik ihrem innersten
Wesen nach zur Knechtung, Zwangsarbeit oder Ausrottung der eingebo-
renen Bevölkerung der Kolonialgebiete führen muß. Die zivilisatorische
Mission, auf die sich die kapitalistische Gesellschaft beruft, dient nur als
Deckmantel für Eroberungs- und Ausbentungsgelüste. Erst die sozialistische
Gesellschaft wird allen Völkern die Möglichkeit bieten, sich zur vollen
Kultur zu entfalten. Die kapitalistische Kolonialpolitik, statt die Prodnuktiv-
kräfte zu steigern, zerstört durch Versklavung und Verelendung der Ein-
geborenen wie durch mörderische verwüstende Kriege den natürlichen Reich-
tum der Länder, in die sie ihre Methoden verpflanzt. Sie verlangsamt
oder verhindert dadurch selbst die Entwicklung des Handels und des Ab-
satzes der Industrieprodukte der zivilisierten Staaten. Der Kongreß ver-
urteilt die barbarischen Methoden kapitalistischer Kolonisation und verlangt
im Interesse der Entfaltung der Produktivkräfte eine Politik, die die fried-