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6. Juni. Der Kaiser reist nach Budapest zur Feier des
vierzigjährigen Krönungsjubiläums (8. Juni). Er wird vielfach
mit Hochrufen auf das allgemeine Stimmrecht empfangen.
7. Juni. (Ungarn.) Im Abgeordnetenhause wird der ru—
mänische Abgeordnete Vajda wegen seiner antimagyarischen Agi-
tation von magyarischen Abgeordneten mit Gewalt hinausgeworfen.
13. Juni. Über die Ausgleichsverhandlungen wird ver-
öffentlicht:
In den neuerlichen dreitägigen Beratungen ist in den Ausgleichs-
verhandlungen zwischen Oesterreich und Ungarn, die diesmal aus politischen
und sachlichen Gründen einen besonderen Charakter aufweisen, ein gutes
Stück Weges zurückgelegt worden. Vielfach war es auch geboten, neue
Wege aufzusuchen, um die Schlichtung der vorhandenen, zu Beginn der
Beratungen in der Tat tiefgehenden Differenzen zu ermöglichen. Die
bisher geleistete Arbeit gestattete es, die in Betracht kommenden Fragen
in allen konkreten und praktischen Einzelheiten klarzustellen. Das Gesamt-
ergebnis trägt den Charakter einer Abschwächung der bisherigen Gegensätze
an sich in einigen Materien, so in der Frage des ungarischen Staats-
schuldenbeitrages, in der Veterinär- und Verzehrungssteuerfrage ist eine
Annäherung erzielt worden, welche eine schließliche Uebereinstimmung er-
warten läßt.
15. Juni. (Cisleithanien.) Der Kaiser ernennt 18 erb-
liche und 30 lebenslängliche Herrenhausmitglieder.
17. Juni. (Cisleithanien.) Der Reichsrat tritt zusammen.
Am folgenden Tage verliest der Kaiser vor beiden Häusern eine
Thronrede (Sprachenfrage, Sozialpolitik, Finanzen, Auswärtiges):
Die Wahlreform, die durch Beseitigung jeglichen Vorrechts im
Wahlrecht alle Staatsbürger mündig gesprochen und jedem den gleichen
Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten eingeräumt hat, ist gegründet
auf das Vertrauen, das ich in die Staatstreue meiner Völker setze. Es
wird die besondere Aufgabe des neugewählten Abgeordnetenhauses sein,
dieses Vertrauen zu rechtfertigen und zu erweisen, daß die umfassende Er-
weiterung der politischen Rechtsgrundlagen Hand in Hand geht mit einer
Zusammenfassung und Steigerung der politischen Kräfte des Staates;
denn das Recht der Mitbestimmung begründet die Pflicht der Mitverant-
wortung für das Schicksal des Ganzen. Darum erwarte ich, daß die aus
dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangene Volksvertretung, erfüllt von
dem Bewußtsein ihrer Pflichten gegen den Staat, bereit sein wird, mit
meiner Regierung für die Befriedigung der staatlichen Lebensbedürfnisse zu
sorgen und fruchtbringende Arbeit zum besten des Vaterlandes zu leisten.
Ebenso erwarte ich, daß das Herrenhaus, für dessen hohe Bedentung durch
wichtige Gesetzesbestimmungen eine neue Gewähr geschaffen wurde, seinen
rühmlichen Ueberlieferungen getreu, wie bisher, so auch in Zukunft eine
Stätte gerechter Einsicht bleiben werde .. DPie Thronrede betont vor
allem die Notwendigkeit eines Wiederauflebens des parlamentarischen Budget-
bewilligungs- und Kontrollrechtes durch rechtzeitige Erledigung des Voran-
schlages und Anpassung der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses an
die seit ihrer Schaffung vielfach geänderten Verhältnisse. Die Regierung
werde Anträge unterbreiten, die darauf abzielen, bei parlamentarischen