Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

Bie Strreichisch-ungarische Mossarhie. (Juli 4.—13.) 207 
Gchen, und glücklichen Entwickelung ihres geliebten Oesterreich (Lebhafter 
eifall). 
4. Juli. (Cisleithanien.) Schluß einer mehrtägigen De- 
batte im Abgeordnetenhause über Wahlmißbräuche in Galizien. 
Die Ruthenen beschweren sich über Unterdrückung durch die Polen; 
der Ministerpräsident leugnet, daß staatliche Organe an den Miß- 
bräuchen die Schuld tragen. 
10./24. Juli. (Cisleithanien.) Budgetdebatte. Partei- 
erklärungen. Sprachenfrage. Haltung gegen Ungarn. 
Abg. Stölzl (deutschnat.): Seine Partei werde für das Pro- 
visorium stimmen, weil zwei deutsche Vertrauensmänner im Kabinett 
saßen und weil gegen Ungarn Einigkeit nottut. Abg. Adler (Soz.) ver- 
wahrt die Sozialdemokraten gegen den Vorwurf, die Arbeit des Hauses 
zu stören, und befürwortet die Durchführung des reichhaltigen in der 
Thronrede enthaltenen sozialreformatorischen Programms; die Sozial- 
demokraten seien gesonnen, einer Geschäftsordnungsreform zuzustimmen, 
die den Willen der Volksvertretung sichern solle. Die Sozialdemokraten 
würden aber jede Geschäftsordnungsreform verhindern, die anderen Zwecken 
dienen solle, als dem, die Leistungsfähigkeit des Hauses zu erhöhen, und 
die ein Werkzeug der einflußreichen Partei oder der Parteikonstellation 
werden solle, um das Parlament zu beugen. Die Sprachenfrage müsse 
praktisch gelöst werden, die Arbeitsfähigkeit des Parlaments dürfe wegen 
dieser Frage nicht gefährdet werden. In der Ausgleichsfrage mit Ungarn 
müsse die österreichische Regierung eine entschiedene Haltung einnehmen, 
es wäre geradezu ein Verbrechen von der österreichischen Regierung, wenn 
sie der ungarischen Regierung gegenüber Nachgiebigkeit zeigen würde, da 
sich diese nur durch die Erzielung eines günstigen, Oesterreich benach- 
teiligenden Ausgleiches über die Notwendigkeit der Wahlreform hinweg- 
setzen möchte. Abg. Bianchini bespricht das Verhalten der ungarischen 
Regierung gegenüber den Kroaten und macht alle maßgebenden Faktoren 
verantwortlich für die jahrzehntelange Unterdrückung durch die Magyaren. 
12. Juli. (Cisleithanien.) Vereinbarung über die Par- 
lamentssprache. 
Danach werden nichtdeutsche Anträge, Anfragen und Petitionen in 
drei Anhängen dem einsprachig-deutschen Protokoll angeschlossen, im steno- 
graphischen Protokoll selbst aber wird von den Anträgen und Anfragen, 
wenn sie schriftlich eingebracht wurden, eine authentische deutsche Ueber- 
setzung untergebracht. Mündlich gestellte Anfragen und Anträge in nicht- 
deutscher Sprache bleiben unberücksichtigt. Von nichtdeutschen Reden publi- 
ziert das Reichsratskorrespondenzbureau, das in ein von der Regierung 
subventioniertes Privatunternehmen verwandelt wird, auszugsweise deutsche 
Uebersetzungen, ins Protokoll selbst finden nichtdeutsche Reden wie bisher 
keine Aufnahme. In den letzten Tagen hatten die Tschechischradikalen 
wegen der Verhandlungssprache schon mit der Obstruktion gedroht, durch 
dieses Abkommen ist die Obstruktion für diese Session vermieden. 
13. Juli. Die „Neue Freie Presse“ schreibt über die Ver- 
längerung des Dreibundes: 
Das Bündnis zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien wurde im 
Juni 1902 auf die Dauer von 6 Jahren geschlossen; somit hatte das
	        
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