Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

Die ökerreiczischungarische Monartzie. (Juli 24. 28. August Anf.) 209 
gelegt hätten. Trotz des beiderseitigen Bestrebens, einen Ausgleich für 
lange Dauer zu schaffen, begegnete ein über 1917 hinausreichendes Ab- 
kommen unüberwindlichen Schwierigkeiten. Nach der Sachlage, wie sie 
heure vorliege, lasse sich mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit 
das Zustandekommen einer auf 10 Jahre berechneten und alle hauptsäch- 
lichen Fragen umfassenden Vereinbarung erwarten. Sollte ein derartiger 
Ausgleich zustande kommen — Redner bemerkt ausdrücklich, daß einige 
sehr wichtige Fragen noch offen seien —, dann werde ihn wohl jede der 
beiden Regierungen mit gutem Gewissen“ vertreten können. Nähere Mit- 
teilungen über den Inhalt des Ausgleichs könne der Ministerpräsident 
heute nicht machen, eins aber könne er sagen, einen Liebhaberpreis werde 
die Regierung für den Ausgleich nicht mehr bezahlen. Für den hoffentlich 
nicht eintretenden Fall des Scheiterns der Verhandlungen könne die Re- 
gierung die Fortdauer des gegenwärtigen, Ende 1907 erlöschenden 
Reziprozitätsverhältnisses nicht als genügende Bürgschaft der österreichischen 
Interessen ansehen, sondern sie würde einer solchen Bürgschaft jene vor- 
ziehen, die in der Möglichkeit einer Politik der freien und starken Hand 
liege (Beifall.) Die Politik der Regierung könne nicht anders als 
bürgerlich sein. Dadurch sei ihre Stellung zur Sozialdemokratie gegeben. 
Wenn sich die letztere auf den Boden des sozialpolitischen Programms der 
Regierung stelle, werde sie dort ihren Platz finden. Oesterreich sei kein 
Land der politischen Majoritäten, in dem die Parteien sich einander ab- 
wechselnd ausschließen; Parlament und Regierung seien auf Bildung von 
Arbeitsmehrheiten angewiesen. Beide müssen sich zur Durchführung eines 
bestimmten Arbeitsprogramms zusammenschließen, insbesondere in einer 
Zeit, wo es sich entscheiden müsse, ob Oesterreich im Verlaufe der nächsten 
10 Jahre in einem abgeschiedenen Winkel der politischen und wirtschaftlichen 
Welt stehen oder auf der breiten Straße des Weltverkehrs marschieren werde. 
24. Juli. (Cisleithanien.) Das Herrenhaus genehmigt 
das Budgetprovisorium. 
28. Juli. Ein kaiserliches Handschreiben setzt die Quote für 
die gemeinsamen Ausgaben bis zum 1. Januar 1908 in der bis- 
herigen Weise fest. 
28. Juli. (Tirol.) 833 deutsche Touristen werden bei einem 
Ausfluge in die deutsche Sprachinsel in Welschtirol von Irreden- 
tisten überfallen und mißhandelt. 
Anfang August. (Ungarn.) Krone und Verfassungsgarantien. 
Zwischen der Krone und dem Ministerium wird verhandelt über 
einige Vorlagen, die die Stellung der ungarischen Minister verstärken 
sollen. — Nach der ersten Vorlage sollen Gemeindeverwaltungen, die sich 
durch eine Verfügung der Regierung verletzt halten, Beschwerde an den 
Verwaltungsgerichtshof erheben können, während sie bisher nur an den 
Reichsrat appellieren konnten. Bei Mihhelligkeiten zwischen Verwaltungs- 
gerichtshof und Regierung entschied bisher das Kabinett, jetzt soll ein 
eigener Gerichtshof darüber entscheiden Bisher konnten Obergespane mit 
Ermächtigung des Ministers Komitatsbeamte entlassen und ersetzen, wie 
das unter Fejervary geschah, das soll künftig nicht mehr möglich sein. — 
Die von Szell beseitigten und durch staatliche Kassen ersetzten Komitats- 
kassen sollen wieder eingeführt werden. Die Lex Szapary soll fallen, 
wonach die Komitatsbeamten ihre Verwaltung als staatliche Organe führen, 
Européischer Geschichtskalender. XLVIII. 14
	        
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