Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

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barungen einschneidende Aenderungen erfahren. Von diesen Verein- 
barungen sind in den neuen Vertrag bloß die Bestimmungen über den 
Ausschluß geheimer Tarifbegünstigungen und über die paritätische Behand- 
lung der beiderseitigen Provenienzen im Sinne des Artikels XV des 
deutschen Handelsvertrages aufgenommen worden; die in diesem Artikel 
dem Deutschen Reiche gemachten Zugeständnisse werden auch dem ungarischen 
Verkehre zugute kommen, wogegen sich Ungarn verpflichtet hat, gewissen 
in den interessierten Kreisen wiederholt besprochenen Beschwerden wegen nicht 
ganz einwandsfreier Handhabung dieser Vereinbarungen Rechnung zu 
tragen, hingegen sind alle übrigen Oesterreich empfindlich schädigenden 
Bestimmungen im neuen Vertrage gänzlich beseitigt. Dies gilt von der 
Bindung der Tarissätze der österreichischen Staatsbahnen für den ungarischen 
Transitverkehr nach dem westlichen Auslande, ferner von der Bestimmung, 
wonach die bis zum Jahre 1899 freiwillig zugestandenen ermäßigten 
Frachtanteile auf die ganze Dauer des Ausgleiches als Maximalanteile 
festgelegt werden sollen, und weiter von der Verpflichtung der österreichischen 
Staatsbahnen, die weitgehenden für den Verkehr mit den Orientstaaten 
gewährten Tarifnachlässe wahllos auch dem ungarischen Transitverkehre 
nach dem westlichen Auslande gebunden zur Verfügung zu stellen. Durch 
die Beseitigung aller dieser Bindungen ist aber auch die bisherige Grund- 
lage für die Tarifbildung im Transitverkehre nach dem Auslande wegge- 
fallen; die beiden Staatsbahnverwaltungen haben daher wegen der künftigen 
Bildung und Verteilung der Transitfrachtsätze ein neues Uebereinkommen 
abgeschlossen. Wo die Donaukonkurrenz nicht in Betracht kommt, tritt an 
die Stelle der bisher gebundenen Sätze durchweg reguläre Tarifbildung. 
Das neue Uebereinkommen enthält auch die gegenseitige Verpflichtung zur 
Herstellung direkter Tarife im Auslandsverkehr. Es handelt sich hierbei 
aber nicht um Tarifermäßigungen, sondern ausschließlich um Ermöglichung 
der direkten Abfertigung; besonders im Verkehr mit dem Deutschen Reiche 
ist diese Verpflichtung für die österreichischen Staatsbahnen als Transit- 
linien schon durch den Artikel XVI des deutschen Handelsvertrages gegeben. 
Sie steht aber auch mit dem Grundgedanken, von dem sich beide Teile bei 
den Verhandlungen leiten ließen, im Einklange, daß es nicht Aufgabe der 
Staatsbahnverwaltungen sein könne, den Exportverkehr eines anderen 
Staatsgebietes zu erschweren. 
Von besonderer Bedeutung ist es, daß die beiden Regierungen auch 
in einigen anderen, nicht in den Rahmen der eigentlichen Ausgleichsan= 
gelegenheiten gehörigen, wichtigen Bahnfragen zu einer Einigung gelangt 
sind. Hierher gehört vor allem die Vereinbarung wegen Herstellung der 
seit Jahrzehnten vergeblich angestrebten Bahnverbindung mit Dalmatien. 
Die Flaggenführung der Flußschiffe wurde neu geregelt. Ein Sonder- 
abkommen wegen paritätischer Behandlung der subventionierten Schiff- 
fahrtsunternehmungen ist in Aussicht genommen. In betreff der beiden 
Handelsmarinen, der Seeverwaltung, Ausübung der Eeeschiffahrt, der 
Seefischerei und Führung der Seehandelsflagge sind die bisher geltenden 
Bestimmungen aufrecht erhalten worden. Neu ist zum Teil die Ordnung 
der Verzehrungssteuern. Gegenwärtig sind die mit der industriellen 
Produktion in enger Verbindung stehenden direkten Abgaben, wie Bier-, 
Branntwein-, Mineralöl- und Zuckersteuer, in Oesterreich und Ungarn 
nach prinzipiell gleichartigen Gesetzen und Vorschriften zu verwalten. Die 
strikte Einhaltung dieses Grundsatzes stieß jedoch wegen der großen Ver- 
schiedenheit der landwirtschaftlichen und industriellen Verhältnisse in beiden 
Ländern schon während der abgelaufenen Dezennien wiederholt auf Schwierig- 
keiten. Die neuen Vertragsbestimmungen schlagen einen Mittelweg ein,
	        
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