Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

282 Italien. (Juni 26./27.) 
Ungarn gemacht worden sind. Zwischen dem Standpunkte des Fürsten 
Bülow und des Barons Aehrenthal und dem meinen besteht keine 
wesentliche Differenz. Ein Unterschied besteht nur in dem einzuschlagenden 
Verfahren. Sie ziehen es vor nicht an der Erörterung teilzunehmen und 
die Ergebnisse abzuwarten, um sie mit vollkommener Freiheit zu prüfen 
und zu würdigen. Ich glaube daß Italien an der Beratung teilnehmen 
kann, indem es sich gleichwohl die nämliche Freiheit der Prüfung und 
Würdigung hinsichtlich der Ergebnisse der Beratung vorbehält. Muß 
man aus dieser leichten Differenz der Methode schließen, daß die Ver- 
bindung zwischen den Staaten des Dreibundes weniger fest und das Ein- 
verständnis zwischen ihnen weniger vollkommen sei? Aber auch nicht im 
Traume! Bei dem Ideenaustausch, der zwischen dem Fürsten Bülow, 
dem Freiherrn v. Aehrenthal und mir stattgehabt hat, haben sie, nachdem 
die Wesensgleichheit unserer Anschauungen festgestellt war, anerkannt, daß 
Italien hinsichtlich der Beratung recht wohl das Verfahren, das ihm am 
besten dünke, einschlagen könne. Wer also hierüber sich in Spitzfindigkeiten 
ergehen wollte, um auf Zwiespältigkeiten zu schließen, der ist gewarnt, daß 
er ein vergebliches Werk unternimmt. — Der Minister weist sodann die 
von den Abgeordneten Romussi und Brunialti erhobenen Vorwürfe zurück, 
daß er sich im Widerspruch mit sich selbst befinde, und fügt hinzu: Wenn 
ein Widerspruch vorhanden ist, liegt er in der Sache selbst, er geht aus 
den Schwierigkeiten hervor, die sich jedem entgegenstellen, der das ver- 
wickelte Problem zu lösen sucht, er geht aus dem Mißverhältnisse zwischen 
der Größe der Friedensbestrebungen und der geringen Wirksamkeit der 
Mittel zu ihrer Ausführung hervor. Befände ich mich im Widerspruch 
mit mir selbst, so wäre das gleiche bei dem Präsidenten Roosevelt der 
Fall in seiner Botschaft an den Kongreß, in seiner Ansprache an die von 
Herrn Carnegie veranstaltete Friedensversammlung und in seiner Rede bei 
Eröffnung der Ausstellung in Jamestown. Es würde bei allen, wage ich 
zu sagen, der Fall sein, die sich mit diesem Gegenstande mit dem auf- 
richtigen Wunsche, wie es der meine ist, befaßt haben, hohe Bestrebungen, 
Ideale und ernste, praktische Schwierigkeiten miteinander zu vereinbaren. 
26. Juni. Der „Popolo Romano“ schreibt über die Ab- 
machungen zwischen Spanien, England und Frankreich: 
Das seien nur eine Ergänzung der früheren Vereinbarung Frank= 
reichs, Englands und Italiens, zum Zwecke der Festsetzung der Interessen- 
zone der genannten Mächte und der Sicherung des Gleichgewichts am 
Mittelmeer, natürlich unter Achtung aller bestehenden Verträge und aller 
Rechte der nicht mittelländischen Mächte auf der Grundlage des unabänder- 
lichen Prinzips der offenen Tür. Bis jeft hätten Abmachungen mit Spanien 
geiehlt. das wegen der Wechselfälle in seiner inneren Politik sich nicht zum 
eitritt habe entschließen können. Alle diese Abmachungen bezweckten nur 
die Vermeidung eventueller Konflikte zwischen den Mittelmeermächten. Die 
jüngsten Abmachungen Englands, Frankreichs und Spaniens könnten daher 
in diplomatischen Kreisen Europas keinerlei Mißtrauen erregen. 
27. Juni. Die Kammer genehmigt eine Vorlage, durch die 
der 100. Geburtstag Garibaldis zum Nationalfest erklärt wird. 
27. Juni. Die Kammer verweist einstimmig den früheren 
Kultusminister Nasi vor den Senat als Oberstaatsgerichtshof. 
Die Angelegenheit nahm bisher folgenden Verlauf: Am 5. Mai 1904 
stellte ein Fünferausschuß fest, daß Nasi vom 15. Februar 1902 bis
	        
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