IStalien. (Juni 30.—15. Juli.) 283
3. November 1903 als Unterrichtsminister eine Reihe von Irrungen beging,
die ihn verwaltungsrechtlich und moralisch schwer belasteten und zur Er-
gründung einer allfälligen strafrechtlichen Verantwortlichkeit dessen Aus-
lieserung an den Strafrichter erheischten. Am 6. Mai 1904 bat der Staats-
anwalt um Aufhebung der Immunität Nasis, am 7. wurde dem Aus-
lieferungsantrag stattgegeben. Nach einem anderthalbjährigen Untersuchungs-
verfahren wurde Nasi im Juni 1906 der Fälschung von Urkunden und
widerrechtlicher Aneignung von insgesamt 87000 Lire zum Schaden des
Staatsschatzes angeklagt und dessen Verhaftung angeordnet. Nasi war jedoch,
nachdem er gegen die Kompetenz der ordentlichen Richter Verwahrung
erhoben hatte, mit seinem der Mitschuld angeklagten Sekretär Lombardi
mehrere Wochen vorher über die Grenze geflohen. Gegen den Beschluß
der Anklagekammer legte plötzlich der Generalstaatsanwalt Berufung ein
und schloß die Kompetenz der ordentlichen Gerichtsbarkeit aus, da Nasi
die ihm zur Last gelegten Verbrechen, wie die Anklagekammer selbst fest-
gestellt hatte, als Minister beging und darum vor den Staatsgerichtshof
geladen werden mußte. Die Berufung wurde von der strafrechtlichen Ab-
teilung des Kassationshofes abgewiesen. Der Generalstaatsanwalt appellierte
aber an den Gesamtsenat des Kassationshofes, und dieser gab am 10. Juni
der Berufung Folge; er hob den gegen Nasi erlassenen Haftbefehl auf und
kassierte den Beschluß der Anklagekammer. („Nordd. Allg. Ztg.")
30. Juni. (Rom.) Bei den Gemeinde= und Provinzialrats-
wahlen werden die vereinigten Katholiken und Konservativen durch
die verbündeten Liberalen, Republikaner und Sozialisten geschlagen.
Auch in den Provinzen (28. Juli) haben die Wahlen dasselbe
Resultat.
4. Juli. Garibaldis 100. Geburtstag wird in ganz Italien
festlich begangen.
5. Juli. Die Kammer genehmigt ein Gesetz über Sonn-
tagsruhe.
Hiernach haben Beamte oder Angestellte in Fabriken oder kauf-
männischen Geschäften Anspruch auf einen vierundzwanzigstündigen Ruhetag
in der Woche. Es darf aber dafür keine Erhöhung der Arbeitsstunden
während der anderen Tage eintreten. Das Gesetz findet keine Anwendung
auf die Schiffahrt, auf die landwirtschaftlichen Betriebe, auf Jagd, Fisch-
fang, auf Beförderung mittels Eisenbahnen und Trams. Im allgemeinen
ist die Ruhepause auf den Sonntag zu verlegen, aber für besondere Aus-
nahmefälle kann die Genehmigung der Behörden eingeholt werden. Von
der Sonntagsruhe sind von vornherein befreit: Wirtschaften, Milchgeschäfte,
Blumenhändler, Photographen, Zeitungsverleger, Sargmagazine, Theater-
unternehmungen, Heil- und Badeanstalten, Tabaksregieläden, auch wenn
solche andere Artikel mitführen. Den Angestellten in diesen Zweigen ist
wechselweise ein freier Tag in der Woche zu gewähren. Die Gasthof-
besitzer sind verpflichtet, ihrem Personal wöchentlich mindestens einen zehn-
stündigen Ausgang und eine weitere ununterbrochene Tagesruhepause von
mindestens acht Stunden im Hause selbst zu gewähren.
15. Juli. (Desio.) Zusammenkunft des Ministers des Aus-
wärtigen Tittoni mit dem österreichisch-ungarischen Minister des
Auswärtigen Frhrn. v. Ahrenthal.