Außland. (Juni 16.) 325
gaben, durch welche die Regelmäßigkeit der nationalen Wirtschaft bestimmt
wird, und endlich durch weisen Gebrauch des Rechtes der Interpellation
an die Regierung zu dem Zwecke, die Wahrheit und die Gerechtigkeit überall
zu befestigen. Diese von uns den Erwählten der Nation anvertrauten
Pflichten legten diesen die schwere Verantwortlichkeit und die heilige Ver-
pflichtung auf, ihre Rechte zu gebrauchen für eine vernünftige und frucht-
bringende Arbeit zum Wohle und zur Befestigung des russischen Staates.
Dies war unser Gedanke und unser Wille, seitdem wir dem Volke die
neuen Grundlagen für das Staatsleben gegeben haben. Zu unserem Kummer
hat ein beträchtlicher Teil der Mitglieder der zweiten Reichsduma unsere
Erwartungen nicht gerechtfertigt. Nicht mit reinem Herzen, nicht mit dem
Wunsche, Rußland wieder zu befestigen und seine Verwaltung zu vervoll-
kommnen, haben sich viele der Abgesandten des Volkes an die Arbeit
gemacht, sondern in der ausgesprochenen Absicht, die Unruhen zu ver-
mehren und zur Zersetzung des Staates beizutragen. Infolge der Tätig-
keit dieser Personen hat die Reichsduma ein unüberwindliches Hindernis
für eine fruchtbare Arbeit gebildet. Ein feindseliger Geist wurde in die
Dumo selbst hineingetragen und verhinderte dort den Zusammenschluß einer
genügenden Anzahl von Mitgliedern, die gewillt gewesen wären, für die
Interessen des Vaterlandes zu arbeiten. Aus diesem Grunde hat die Reichs-
duma über die weitgehenden, von unserer Regierung ausgearbeiteten Maß-
nahmen entweder gar nicht verhandelt, ihre Diskussion verzögert oder sie
verworfen, wobei sie nicht einmal vor der Zurückweisung von Gesetzen
zurückscheute, die die offene Verherrlichung von Verbrechen mit Strafen
belegten und insbesondere diejenigen mit Strafen bedrohten, die Beun-
ruhigung in die Armee hineintrugen. Indem die Reichsduma so sich
weigerte, Morde und Gewalttaten zu mißbilligen, hat sie auch der Regierung
bei der Wiederherstellung der Ordnung die moralische Unterstützung nicht
geleistet, und Rußland leidet nach wie vor unter der Schmach einer ver-
brecherischen Zeitperiode und unter großem Mißgeschick. Die Prüfung des
Budgets seitens der Duma brachte Verwirrung in die notwendige Be-
friedigung vieler ein Lebensinteresse des Volkes bildenden Forderungen.
Das Recht, Interpellationen an die Regierung zu richten, wurde von einem
beträchtlichen Teile der Duma in ein Mittel zur Bekämpfung der Regierung
und zur Erregung von Mißtrauen gegen sie in weiten Schichten des Volkes
umgewandelt. Endlich wurde ein in den Annalen der Geschichte unerhörter
Akt begangen. Die Gerichtsbehörden entdeckten eine Verschwörung eines
Teiles der Duma gegen den Staat und die Kaiserliche Gewalt. Aber als
unsere Regierung die zeitweilige Ausschließung bis zum endgültigen Urteils-
spruch von 55 des Verbrechens angeschuldigten Dumamitgliedern und die
Verhaftung der am meisten Verdächtigen von ihr forderte, erfüllte die Duma
nicht unverzüglich die gesetzmäßige Forderung der Behörden, welche einen
Aufschub nicht zuließ. Alle diese Umstände zwangen uns, durch Erlaß
vom 16. d. M. an den Senat die zweite Duma aufzulösen und als Tag
der Zusammenberufung der neuen Duma den 14. November festzusetzen.
Im Vertrauen auf die Vaterlandsliebe und den politischen Sinn unseres
Volkes sehen wir jedoch die Ursache des zweimaligen Mißerfolges der
Tätigkeit der Reichsduma darin, daß wegen der Neuheit des Werkes und
wegen der Unvollkommenheit des Wahlgesetzes diese gesetzgeberische Ein-
richtung sich aus Mitgliedern zusammensetzte, die nicht die wahren Ver-
treter der Bedürfnisse und Wünsche des Volkes waren. Infolgedessen haben
wir, indem wir alle durch das Manifest vom 30. Oktober 1905 unseren
Untertanen erteilten Rechte und die Grundgesetze in Kraft lassen, den
Entschluß gefaßt, das Verfahren für die Berufung der Volksvertreter in