Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

Das Dentsthe Reit und seint einjelnen Slieder. (Februar 9.) 29 
(hört! hört!) und betonte mit besonderem Nachdruck, daß es gerade darauf 
ankomme, die unbilligsten Ungleichheiten aus der Lehrerbesoldung zu be- 
seitigen. (Zuruf: Na jal) Den Wünschen dieses hohen Hauses habe ich 
im Herbst 1905 Rechnung tragen zu müssen geglaubt. In Uebereinstim- 
mung mit dem Herrn Finanzminister wurden in den Etat für 1906 rund 
3 Millionen eingestellt, um insbesondere die ersten und alleinstehenden 
Lehrer auf mindestens 1100 Grundgehalt und 120 +(M Alterszulage 
provisorisch aufzubessern. Bei den Verhandlungen mit dem Finanzminister 
wurde vereinbart, daß die Regierungen angewiesen werden sollten, bei allen 
übrigen Gehaltsbeschlüssen der Gemeinden zu prüfen, ob etwa das Ziel der 
Staatsregierung und des Landtags, die schweren Ungleichheiten in der 
Lehrerbesoldung tunlichst auszugleichen, durch die bezüglichen Beschlüsse der 
einzelnen Gemeinden gefährdet würde. Wenn solche Bedenken bei den Re- 
gierungen in erheblichem Umfange bestehen, so soll nicht etwa die Ge- 
nehmigung versagt werden, sondern es soll der Beschluß der Zentral- 
regierung vorgetragen werden. Nach Maßgabe dieser Vereinbarung ist 
dann der Erlaß vom 4. Mai 1906 ergangen. Man wirft ihm vor, daß 
er in die Selbstverwaltung der Gemeinden unzulässig eingreift, daß er es 
verhindern soll, die Lage der Lehrer besser zu gestalten. Diese Vorwürfe 
lassen zunächst außer acht, daß selbstverständlich ohne eine gewisse Be- 
schränkung der Freiheit der Gemeinden die preußische Volsschule, die eine 
Veranstaltung des Staates ist, als eine einheitliche Organisation nicht ver- 
waltet werden kann. Als Beleg hierfür diene folgender Vorgang. Bei 
Ausführung des Erlasses vom 4. Mai 1906 haben über 200 Gemeinden 
die von der Regierung auf Grund des Beschlusses des Abgeordnetenhauses 
verlangte Erhöhung des Grundgehaltes und der Alterszulagen abgelehnt, 
obwohl ihnen gleichzeitig zur Deckung der erforderlichen Mehrkosten aus 
Staatsmitteln erhebliche Beiträge, zum großen Teil in Höhe der gesamten 
Mehrausgaben, geboten wurden. Die Gemeinden lehnten die Erhöhung 
ab, weil sie das für gänzlich überflüssig hielten. Ich frage die Herren 
Interpellanten, ob sie in diesem Falle es als eine unzulässige Beschränkung 
der Selbstverwaltung ansehen wollen, daß die Bezirksregierungen dann 
schließlich im Zwangswege vorgehen mußten. Die Frage ist zweifellos zu 
verneinen. Sie selbst also fordern die Staatsregierung auf, behufs einer 
angemessenen, tunlichst gleichmäßigen Regelung der Lehrergehälter in die 
Freiheit der Gemeinden einzugreifen. Daraus folgt auch selbstverständlich, 
daß unter Umständen auch gegen eine beschlossene Erhöhung ein Veto ein- 
gelegt werden kann. Denn wie soll denn sonst eine angemessene Gleich- 
mäßigkeit der Lehrergehälter, die Einheit der Volksschule und des Lehrer- 
standes aufrecht erhalten werden, wenn in den unteren Gehaltslagen der 
Staat auf seine Kosten die Lehrer aufbessert, in den oberen aber die großen 
Gemeinden immer wieder eine Erhöhung eintreten lassen! Es führt dies 
schließlich zu dem Ergebnis, daß die großen Gemeinden beschließen, und 
der Staat zu bezahlen hat, ohne jede Rücksicht auf die finanziellen Folgen, 
die das für ihn hat, und ohne jede Rücksicht auf die gesamte Lage der 
Volksschule. Die Schulaufsichtsbehörde hat mit Zustimmung der Parteien, 
welche die Interpellanten vertreten, zu allen Zeiten Gehaltserhöhungen, 
die von einzelnen Gemeinden beschlossen waren, abgelehnt, wenn die vorher 
dargelegten Rücksichten es verlangten. Bei der Ausführung des Lehrer- 
besoldungsgesetzes sind die Gemeinden in die beschlossenen Teuerungsgruppen 
eingereiht worden, ob sie wollten oder nicht. Es sind hier fortgesetzt Einzel- 
beschwerden darüber zur Sprache gekommen, daß hier und da eine be- 
schlossene Gehaltserhöhung nicht genehmigt war. Der Erlaß bietet daher 
nicht im mindesten etwas Neues, wenn er die Regierungen zu einer Prü-
	        
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