Nachtrag
in S. 291.
8. September. Der Papst erläßt eine Enzyklika (Pascendi
dominici gregis) gegen die Modernisten.
An die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und die übrigen Ordi-
narien, welche in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen
Stuhle stehen, Papst Pius X.
Ehrwürdige Brüder!
Gruß und Apostolischen Segen.
Das Amt, welches Uns von Gott übertragen worden, die Herde
des Herrn zu weiden, hat vor allem als Aufgabe von Christus
zugewiesen erhalten, daß es den Schatz des überlieferten heiligen Glaubens
aufs sorgfältigste hüte und profane Neuerungen und Einwendungen der
sogen. Wissenschaft zurückweise. Zu jeder Zeit ist diese Sorge des obersten
Hirten dem rathepschen Volke notwendig gewesen; denn dank dem Feinde
des Menschengeschlechtes hat es niemals an Leuten gefehlt, „die da Ver-
kehrtes reden“, an solchen, „die mit ihren nichtigen Reden zu Verführern
werden“, an „betrogenen Betrügern“. Aber man kann es nicht leugnen,
in der letzten Zeit ist die Zahl der Feinde des Kreuzes Christi nur all-
zusehr gewachsen. Mit neuen, hinterlistigen Kunstgriffen suchen sie die
Lebenskraft der Kirche zu brechen und, wenn sie nur könnten, das Reich
Christi selbst von Grund aus zu vernichten. Darum dürfen Wir nicht
länger schweigen, damit Wir nicht Unserer heiligsten Aufgabe untreu werden,
und man nicht die Milde, welche Wir bisher walten ließen, in der Hoffnung,
man werde sich eines Besseren besinnen, Uns als Pflichtvergessenheit auslege.
Wir sind aber gezwungen, nicht länger zu zögern, weil sich die
Verfechter jener Irrtümer bereits nicht mehr ausschließlich unter den
offenen Feinden finden; nein, zu Unserem größten Schmerze und zu
Unserer Beschämung müssen Wir es sagen, am Busen und im Schoße der
Kirche lauern sie und sind um so gefährlicher, je weniger man sie kennt.
— Wir meinen, Ehrwürdige Brüder, viele aus der katholischen Laienwelt,
ja, was noch viel schlimmer ist, sogar aus den Reihen des Klerus, die
unter dem Deckmantel der Liebe zur Kirche, ohne die Grundlage einer
soliden Philosophie und Theologie, ja angesteckt von dem Gifte der Lehren,
wie sie die Feinde der Kirche vortragen, alle Bescheidenheit beiseite setzend,
sich zu Reformatoren der Kirche aufwerfen; kühn schließen sie ihre Reihen
zusammen, greifen das Heiligste an Christi Werk an und schonen dabei
nicht einmal die göttliche Person des Erlösers selbst, den sie in blas-
phemischer Frechheit zu einem bloßen armseligen Menschen herabdrücken.
Mögen diese Leute sich wundern, wenn Wir sie zu den Feinden der
Kirche rechnen; über das Innere ihres Herzens richtet freilich Gott allein;
aber wer ihre Lehren, ihre Rede- und Handlungsweise kennt, der kann