Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

374 Na#tragz zu S. 291. 
haben Wir beschlossen, auf alle Diözesen auszudehnen, was die Bischöfe 
Umbriens vor Jahren für ihre Diözesen weise angeordnet haben. Sie 
sagen: Um die bereits verbreiteten Irrtümer auszurotten und um zu ver- 
hüten, daß sie weitere Verbreitung finden, oder daß gottlose Lehrer die 
schlimmen Folgen, die aus deren Verbreitung entsprungen sind, weiter 
aufrecht halten, so beschließt diese heilige Versammlung nach dem Vorbilde 
des hl. Karl Borromäus, daß in jeder Diözese aus bewährten Mitgliedern 
des Welt- und Ordensklerus ein Rat eingesetzt werde; dieser soll darüber 
wachen, ob und mit welchen Mitteln die neuen Irrtümer weiterschleichen. 
oder verbreitet werden, und den Bischof davon in Kenntnis setzen, damit 
nach gemeinsamer Ueberlegung Maßregeln ergriffen werden, das Uebel 
gleich in der Wurzel zu ersticken; sonst möchte dasselbe zum Verderben der 
Seelen immer weiter um sich greifen, oder was noch schlimmer wäre, von 
Tag zu Tag sich festigen und wachsen. — Wir beschließen also, daß ein 
solcher Rat, den Wir die Aufsichtsbehörde nennen wollen, so bald als 
möglich in jeder Diözese eingerichtet werde. Die Mitglieder derselben 
werden etwa in der Weise bestimmt, wie Wir es oben für die Zensoren 
angeordnet haben. Jeden zweiten Monat sollen sie an einem festgesetzten 
Tag beim Bischof zusammenkommen; über ihre Verhandlungen und Be- 
schlüsse sind sie zum Stillschweigen verpflichtet. — Von Amts wegen haben 
sie folgende Obliegenheiten. Den Anzeichen und Spuren des Modernismus 
sowohl in Büchern als in Lehrvorträgen sollen sie eifrig nachforschen, so- 
dann zum Schutze des Klerus und der Jugend mit Klugheit, aber schnell 
zur Hand und tatkräftig ihre Verordnungen treffen. — Neuerungen in der 
Terminologie sollen sie nicht zulassen und sich der Mahnung Leos XlIII. 
erinnern: Man könne es an Schriften von Katholiken nicht billigen, wenn 
sie eine Redeweise gebrauchen, die durch ihre verkehrte Neuerungssucht den 
Anschein erweckt, als mache man sich über die Frömmigkeit der Gläubigen 
lustig, die von einer Neuordnung des christlichen Lebens spricht, von neuen 
Gesetzen der Kirche, neuen Bedürfnissen des modernen Menschen, einem 
neuen sozialen Beruf des Klerus, einer neuen christlichen Zivilisation u. dgl. m. 
Derartiges dürfen sie weder in Büchern noch in Vorlesungen dulden. — 
Die Bücher, in welchen fromme Lokalüberlieferungen oder heilige Reliquien 
behandelt werden, sollen sie nicht übersehen. Sie können nicht zugeben, 
daß solche Fragen in Zeitungen oder Zeitschriften, welche der Erbauung 
dienen, behandelt werden, gar mit Ausdrücken, die von Spott und Ver- 
achtung zeugen, oder mit kategorischer Sicherheit, besonders wenn, wie 
meistens, nur Wahrscheinlichkeiten oder gar Vorurteile zu Grunde liegen. — 
Bezüglich der heiligen Reliquien halte man sich an folgendes. Wenn die 
Bischöfe, die hier allein zuständig sind, sicher wissen, daß eine Reliquie 
unecht ist, müssen sie dieselbe der Verehrung der Gläubigen entziehen. 
Wenn die Zeugnisse für eine Reliquie vielleicht bei bürgerlichen Wirren 
oder durch einen sonstigen Zufall verloren gegangen wären, darf sie nicht 
öffentlich ausgestellt werden, ehe sie vom Bischof förmlich verifiziert ist. 
Ein Präskriptionsbeweis oder eine gegründete Präsumtion soll nur dann 
Geltung haben, wenn ein hohes Alter der Verehrung für sie spricht; so 
will es das Dekret der heiligen Kongregation für Ablässe und Reliquien 
vom Jahre 1896: Die alten Reliquien seien bei ihrer bisherigen Verehrung 
zu belassen, es sei denn, daß in einem besonderen Falle sichere Beweise für 
Fälschung oder Unechtheit vorhanden wären. — Stehen aber fromme Ueber- 
lieferungen zur Beurteilung, so beachte man dieses: Die Kirche ist in diesem 
Stücke so vorsichtig, daß sie nur mit großem Bedacht und unter Anführung 
der von Urban VIII. vorgeschriebenen Erklärung solche Ueberlieferungen in 
Schriften behandeln läßt; auch wenn dem Genüge geschehen, tritt sie doch 
 
	        
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