Das Desche Reich und seine einzeluen Glieder. (Februar 11. 12.) 33
Das Gesetz bezweckt die Errichtung von Wanderarbeitsstätten, die
die Aufgabe haben sollen, mittellosen arbeitsfähigen Männern, die außer-
halb ihres Wohnortes Arbeit suchen, Arbeit zu vermitteln und vorüber-
gehend gegen Arbeitsleistung Beköstigung und Obdach zu gewähren. — Die
Redner aller Parteien stimmen der Tendenz des Gesetzes zu, fordern aber,
daß in der Kommission viele Bestimmungen über die Staatszuschüsse, die
Aufgabe der Provinzen, Kreise u. a. anders formuliert werden.
11. Februar. (Berlin.) Die Generalversammlung des
Bundes der Landwirte faßt folgenden Beschluß:
Die Generalversammlung des Bundes der Landwirte erwartet, daß
1. an der von den verbündeten Regierungen durch den Staatssekretär des
Innern Grafen von Posadowsky-Wehner abgegebenen Erklärung rückhalt-
los und unbedingt festgehalten wird, nach der weitere Abschwächungen
des deutschen Zolltarifs als ausgeschlossen zu betrachten sind; — daß
2. jedwede Verhandlung über den Abschluß eines Handelsvertrages nur
unter Anerkennung dieses Grundsatzes geführt wird; — daß 3. hier-
nach die verbündeten Regierungen, insbesondere den Vereinigten Staaten
von Amerika gegenüber, abwarten, welche Zugeständnisse diese für die
weitere Gewährung der zurzeit provisorisch eingeräumten Vergünstigungen
anzubieten gewillt sind; — daß 4. die verbündeten Regierungen, angesichts
verschiedener Preßmeldungen, die in die Kreise der Landwirte Beunruhigung
und Mißtrauen zu tragen geeignet waren, unzweideutig ihre Entschlossen-
bart bekunden, an dem oben bezeichneten Grundsatze unverrückbar fest-
zuhalten.
12. Februar. (Berlin.) Der Kaiser über den Malteser-
orden.
Der Kaiser empfängt die Präsidenten und eine Abordnung hervor-
ragender Mitglieder des schlesischen und des rheinländisch-westfälischen
Vereins des souveränen Malteser-Ritterordens, um die Ernennungsbulle
nebst den Insignien eines Großkreuzes und Ehrenbaillis des Ordens ent-
gegenzunehmen. — Auf die Ansprache des Grafen Praschma erwidert er:
Ich nehme aus Ihren Händen die Insignien des Großkreuzes und die
Würde als Ehrenbailli des souveränen Malteser-Ordens mit besonderer
Freude entgegen und bin Seiner Eminenz dem Fürsten-Großmeister des
Hohen Ordens für diese freundliche Aufmerksamkeit sehr dankbar. Auch
Ihnen, meine Herren, als den Vertretern der in Meinen Landen bestehen-
den beiden Malteser-Ordensgenossenschaften danke Ich herzlich für die
Mir bei dieser Gelegenheit dargebrachte Huldigung. Als Protektor der
Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens von St. Johannis vom
Spital zu Jerusalem mit dem evangelischen Zweige des Ordens aufs
engste verbunden, erfüllt es Mich mit Befriedigung, durch die Mir über-
tragene Würde nun auch zu der katholischen Ordensritterschaft in nähere
Beziehung zu treten. Wenn auch im Wandel der Zeiten die Tätigkeit
und der Wirkungskreis des altehrwürdigen Ordens eine Einschränkung er-
fahren haben, die alten Rittertugenden behalten immer ihre Bedeutung,
und gerade in unseren Tagen ist jeder einzelne ritterlich gesinnte Mann
von unschätzbarem Werte für die Allgemeinheit. Ihr Gelübde bürgt Mir
dafür, daß Sie alle auch in dem Kampfe gegen den menschenfeindlichen
Geist des Unglaubens und des Umsturzes sich als wahre Ordensritter er-
weisen werden. Ein vorbildlicher christlicher Wandel, barmherzige Nächsten-
liebe zu den kranken und notleidenden Brüdern, Gottesfurcht, Königstreue
und Vaterlandsliebe, das ist der Boden, auf dem beide Zweige des
Europäischer Geschichtskalender. XIVIII. 3