Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1907. (48)

402 Mebersicht über die politische Entwickelung des Jahres 1907. 
ziehungen zwischen Belgien und dem Kongostaat, eine Frage, die 
am Jahresschluß noch im Fluß war. — Bei den Kommunal-= 
wahlen haben die Klerikalen ihre Stellung behauptet, da eine 
einheitliche Aktion zwischen Liberalen und Sozialdemokraten nicht 
zustande kam. 
Die Niederlande haben wegen militärischer Differenzen 
eine Umformung und Neubildung des Kabinetts erlebt. Ein Ver- 
gleich über den Streitpunkt zwischen Regierung und Parlament 
erfolgte im Berichtsjahre nicht mehr. — Dänemark hat die 
deutschfreundlichere Politik, die in den letzten Jahren zu erkennen 
war, fortgesetzt durch den Vertrag mit Preußen, wodurch den 
Kindern der Optanten die Aufnahme in den preußischen Staats- 
verband erleichtert worden ist (S. 5). Sehr viel war im letzten 
Jahre die Rede von einer Abschließung der Ostsee für Kriegsschiffe, 
die nicht Ostseestaaten angehören. Namentlich in der ruffischen 
Presse wurde behauptet, daß Deutschland bei Dänemark für einen 
solchen Vertrag Stimmung zu machen suche, indessen die Mit- 
teilungen sind von beiden Staaten bestritten worden. — In 
Schweden war das wichtigste Ereignis der Thronwechsel, in 
Norwegen die Verhandlung über die Neutralisierung des Landes. 
Die Geschichte Rußlands erhält noch ihren Charakter durch 
das Ringen um die Einwurzelung des Konstitutionalismus. In den 
Wahlen zur zweiten Duma zu Beginn des Jahres setzte die 
Regierung wie ein Jahr vorher ihre Machtmittel gegen die Oppo- 
sition ein, aber der Ausfall war trotzdem der Regierung ungünstig. 
Allerdings war die Hauptoppositionspartei der ersten Duma, die 
konstitutionell-demokratische (Kadetten) verringert worden und 
hatte vielfach eine gemäßigtere Richtung eingeschlagen, die Rechte 
hatte gewonnen, aber das bedeutete noch keinen unbedingten Erfolg 
der Regierung. Denn die Rechte war, soweit sie aus Anhängern 
des Verbandes russischer Leute bestand, antikonstitutionell gesinnt 
und entschlossen, ein wirkliches parlamentarisches Leben zu hindern. 
Sie suchte fortgesetzt die äußerste Linke zu Ausschreitungen zu 
reizen, um die Regierung zur Auflösung und zum Verzicht auf 
das Verfassungsexperiment zu zwingen. Die äußerste Linke erstrebte 
eben so sehr einen Konflikt mit der Regierung, um das revolutionäre
	        
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