Des Veuische Reich und seine rimelnen Slieder. (März 29.) 113
Lande selber und der weitern Oeffentlichkeit standgehalten. Ebenso haben
die einzelnen Bundesregierungen begründeten Widerspruch erheben müssen.
So sind auch hier gewissermaßen automatisch die Blicke wieder auf das-
jenige Projekt gelenkt worden, das den einer Besitzsteuer durch das Reich
entgegenstehenden Schwierigkeiten am zweckmäßigsten begegnet und be-
rechtigten staatsrechtlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Interessen ver-
hältnismäßig am wenigsten nahetritt. Obwohl mehr als einmal totgesagt,
erweist sich die Nachlaßsteuer jetzt nach dem offenkundigen Fiasko der kon-
kurrierenden Vorschläge lebendiger als je. Die Kundgebungen weitester
nationalgesinnter Kreise, die das Zustandekommen der Reichsfinanzreform
als eine Lebensfrage für Reich und Staat betrachten und in der Nachlaß-
steuer den einzig gangbaren Weg für eine praktische und ralionelle Lösung
dieses Problems erblicken, haben an Zahl, Bedeutung und Entschiedenheit
fortgesetzt zugenommen. Bisher handelt es sich indessen nur um Beschlüsse
erster Lesung, und es besteht noch immer begründete Hoffnung, daß die-
jenigen Beschlüsse, welche einer befriedigenden Lösung der Frage der Reichs-
finanzreform entgegenstehen, in den weitern Stadien der Verhandlung
wieder beseitigt werden. Allerdings ist es nun aber höchste Zeit, daß
etwas zustande kommt. Wir stehen kurz vor den Osterferien, und noch
ist so gut wie nichts geschaffen. Mit allem Nachdruck muß deshalb die
Forderung aufs neue betont werden, daß die Finanzreform nicht weiter
verschleppt werden darf, sondern unter allen Umständen vor den Sommer-
ferien zustande gebracht werden muß."“
29. März. (Reichstag.) Rede des Fürsten v. Bülow
über die auswärtige Lage:
Ehe ich näher auf die Entwickelung der Orientangelegenheiten ein-
gehe, möchte ich kurz die Ereignisse berühren, bei denen unsere Politik
besonders nahe beteiligt gewesen ist, seitdem ich das letzte Mal die Ehre
hatte, mich vor diesem hohen Hause auszusprechen über die auswärtigen
Geschäfte des Landes. Ich stelle voran den Besuch, den ihre Majestäten
der König und die Königin von England im Februar dieses Jahres
unserm Kaiserpaare in der Reichshauptstadt abgestattet haben. Ich zögere
nicht, diesen Besuch in seinem ganzen äußerst harmonischen Verlaufe als
ein in jeder Beziehung glückliches Begebnis zu bezeichnen. (Beifall.)
Die herzliche Aufnahme, die dem englischen Königspaare an unserm Kaiser-
hofe bereitet worden ist, die sympathische Anteilnahme aller Schichten der
Bevölkerung, das Echo, welches die Berliner Festiage in England erweckt
haben, vor allem aber die Worte aufrichtiger Friedensliebe und Freund-
schaft, die Seine Majestät der König von England hier gesprochen hat
und die nachher in der englischen Thronrede und in der Adreßdebatte
des englischen Parlaments bekräftigt worden sind — das alles hat beiden
Völkern wieder einmal zum Bewußtsein gebracht, wie sie gegenseitig sich
achten und friedlich in Friedensarbeiten wetteifern. (Beifall.) Das Netz-
werk ihrer Beziehungen ist nicht so leicht zu zerreißen, wie sehr auch von
mutwilligen Händen daran gezerrt sein mag, denn es hat, von allem
ideellen Wert abgesehen, seine Festigkeit dadurch erlangt, daß ein großer
Teil der Arbeit beider Länder mit hineinverknüpft worden ist. Es gibt
ja auch kaum zwei Länder, die für ihre nationale Arbeit so sehr auf-
einander angewiesen sind, wie Deutschland und England. (Sehr richtig!)
Ich möchte mir erlauben, hier einige Zahlen anzuführen, weil diese
gahlen eine überaus beredte Sprache führen. Daß Deutschland der beste
unde des vereinigten Königreichs ist, wird von allen deutschen Handels-
politikern anerkannt und in ganz unanfechtbarer Weise durch die Statistik
Europêischer Geschichtskelender 1L. 8