Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

132 HNa%s Veutsche Reich und seine einzelnen Gliedrr. (April 16.) 
fordern und die Beschränkung der geistlichen Schulaufsicht auf den Reli- 
gionsunterricht ablehnen. Wenn die Verfassung den gesamten Unterricht 
mit Ausnahme der Religion als Staatspolizeigegenstand erkläre, so sei 
damit eine entsprechende Mittelaufsicht der kirchlichen Organe keineswegs 
ausgeschlossen. Die sogenannte fachmännische Leitung würde die schließliche 
völlige Verstaatlichung und Verweltlichung der Schule bedingen. 
16. April. (Zeppelin-Stiftung.) Graf Zeppelin macht 
bekannt: 
„Es ist mir Pflicht und Bedürfnis, allen Deutschen innerhalb und 
außerhalb des Reichs, die zu der durch die Verbrennung meines Luft- 
schiffs bei Echterdingen hervorgerufenen Volksspende beitrugen, über die 
Verwendung des mir anvertrauten Gutes Rechenschaft abzulegen. Das 
Ergebnis der Spende betrug am Schluß der durch die verschiedenen Sammel- 
stellen veröffentlichten Listen um Mitte Oktober 1908 5513336 Mark. Seit 
jener Zeit bis heute sind noch weitere 583 219 Mark eingegangen (worüber 
in Nr. 171 des „Schwäbischen Merkur“, Stuttgart, öffentlich quittiert ist), 
so daß der Gesamtbetrag der Spenden sich auf 6096555 Mark beläuft. 
Kraft der mir von den Gebern übertragenen freien Verfügung über die 
Spende habe ich mit deren gesamtem Betrage nebst dessen Zinsen und 
Erträgnissen eine Stiftung unter dem Namen „Zeppelin-Stiftung“ mit dem 
Sitz in Friedrichshafen am Bodensee errichtet, die nunmehr am 29. März 
d. J. die staatliche Genehmigung erhalten hat. Die Stiftung ist befugt, 
anderweitige Zuwendungen anzunehmen und dadurch ihr Vermögen zu 
vergrößern. Die Stiftung soll mir zunächst die Kosten für das an Stelle 
des bei Echterdingen verbrannten im Bau begriffene Luftschiff ersetzen; 
sodann aber mir die Mittel gewähren, um den Luftschiffbau und die 
Kesticresfahrn in Deutschland möglichst zu entwickeln und nutzbar zu ge- 
alten. 
Unter weit überwiegender Beteiligung der Stiftung ist bereits eine 
Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Luftschiffen unter dem Namen 
„Luftschiffbau Zeppelin“ in Friedrichshafen gegründet. Umfassende Anlagen, 
die den raschen Bau von Luftschiffen in den in Aussicht genommenen Ver- 
hältnissen ermöglichen sollen, sind in der Ausführung begriffen. Ver- 
schiedene Unternehmungen, die eine wesentliche Förderung und Hebung des 
Luftschiffbaues oder die bessere Ausnützung der Luftschiffahrt versprechen, 
erhalten die notwendige Unterstützung. Wissenschaftliche Untersuchungen, 
Versuche aller Art, und die Prüfung der einschlägigen Vorgänge und Vor- 
schläge in der Welt sind im Gange, um fortschreitend immer Vollkom- 
meneres leisten zu können. Von solchem Vorgehen ist zu erhoffen, daß 
Deutschland für lange Zeit im Luftschiffbau und in der Luftschiffahrt an 
der Spitze der Völker schreiten wird. Durch die Anspannung der mir noch 
verbliebenen Kräfte, um diesem hohen Ziele näher zu führen, glaube ich 
am besten dem tiefen Dankgefühl Ausdruck verleihen zu können, das mich 
gegen alle erfüllt, die mir mit ihren Gaben, Ehrungen und Auszeichnungen 
Hilfe gebracht und Freude bereitet haben. Das schönste Ergebnis des 
durch die Volksspende ermöglichten Entwickelungsganges meines Unter- 
nehmens wäre es aber, wenn allgemein erkannt würde, welche herr- 
lichen Früchte das einige, begeisterte Zusammenwirken von Fürsten und 
Volk mit Hintansetzung aller Sonderbestrebungen zu zeitigen vermag, 
und wenn diese Erkenntnis dann zur Wiederholung solchen einmütigen, 
opferfreudigen Zusammengehens anfeuern würde, so oft es sich um eine 
sn anas Wohl und die Ehre des deutschen Vaterlandes wichtige Sache 
andelt.“
	        
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