140 DJe Besche Reich und seine einjelnen Glieder. (April 21.)
21. April. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Zweite
Beratung des Etats der Ansiedlungskommission für Westpreußen
und Posen.
Es liegt ein Antrag v. Wentzel (kons.) vor, der die Regierung er-
sucht, die Besitzfestigung größerer Güter in der Ostmark nach Maßgabe des
Gesetzes vom 20. März 1908 nicht durch die Deutsche Bauernbank in
Danzig und die Deutsche Mittelstandskasse in Posen (Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung), sondern durch die Ansiedlungskommission für West-
preußen und Posen ausführen zu lassen.
Berichterstatter Wamhoff (ul.): Die Denkschrift über 1908 gibt
uns ein getreues Bild der Entwickelung unserer Ansiedlungen in Posen
und Westpreußen. Wir waren alle gespannt auf diesen Bericht, zumal
seit dem Vorjahre die Regierung durch das Enteignungsgesetz ermächtigt
wurde, gegebenenfalls Grundbesitz zu Ansiedlungszwecken zu enteignen.
Von diesem Recht ist bisher kein Gebrauch gemacht worden, und doch ist
eine erfreuliche Erscheinung eingetreten: die Grundstückspreise sind herunter-
gegangen. Der Geschäftsumfang der Ansiedlungskommission, die zurzeit
aus 11 Mitgliedern besteht, war enorm. Es sind über 364000 Geschäfts-
nummern bearbeitet worden gegen 351000 im Vorjahre. Das Land-
erwerbsgeschäft erstreckte sich auf über 14000 ha, wofür rund 16½ Millionen
Mark gezahlt wurden gegen 9400 ha zum Preise von rund 14 Millionen
im Vorjahr. Das Gesamtangebot betrug 123600 ha. 4 Güter und 14
Bauernwirtschaften stammen aus polnischer Hand mit einer Fläche von
175 ha zu 2,6 Millionen Mark. Der ganze Landerwerb betrug bis zum
Ende des Jahres 1908: 349500 ha oder 61 ½ Quadratmeilen zum Preise
von rund 323½ Millionen Mark. Davon stammen aus polnischer Hand
31 Prozent. Die Durchschnittspreise sind pro Hektar seit 1903 bis 1907
von 1007 auf 1508 Mark gestiegen und im letzten Jahre auf 1181 Mark
wieder heruntergegangen. Ansiedlungsgesuche gingen 1908 ein: 7015 gegen
6261 im Jahre vorher. Dagegen ist die Zahl der Verträge von 2076 auf
2059 zurückgegangen. Bis Ende 1908 sind im ganzen 15143 Verträge
abgeschlossen. Von den 1526 im Jahre 1908 angesetzten Renten- und
Pachtansiedlern stammen aus Westpreußen 133, aus Posen 165, aus
Pommern 175, aus Westfalen 42, aus Hessen-Nassau 36, aus der Rhein-
provinz 23, aus außerdeutschen Staaten 594. Von den sämtlichen bisher
angesiedelten Familien stammen aus den Ansiedlungsprovinzen 3681, aus
dem übrigen Deutschland 7800 und aus dem Auslande 3662. Das Be-
siedlungsgeschäft im Jahre 1908 entspricht etwa der Gründung von 50
Dörfern mit je 1600 Morgen Stellenland. Die angesiedelten Familien
len im ganzen etwa 94000 Köpfe und haben rund 225000 ha im Besitz.
ür öffentliche Zwecke sind etwa 24700 ha verwendet und an den Fiskus
etwa 31 800 ha veräußert, so daß noch rund 58 500 ha verwendbar sind.
Die Gesamtausgaben des Ansiedlungsfonds von 1886 bis Ende 1908
betrugen 554860000 Mark, die Gesamteinnahmen 156 440000 Mark, so
daß sich die reine Ausgabe auf 398 420000 Mark beziffert. Im großen
und ganzen nimmt das Ansiedlungsgeschäft trotz mancher Widerwärtigkeiten
einen stetigen ruhigen Fortgang. Es ist unstreitig in wirtschaftlicher und
nationaler Hinsicht ein gewaltiger Fortschritt zu verzeichnen, der unserm
Osten und damit dem ganzen Vaterlande zum Segen gereicht.
Nach langer Debatte wird der Antrag Wentzel bis zur dritten
Lesung ausgesetzt.
21. April. (Preußen.) Landtagswahl. Bei der Ersatzwahl