Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Neische Reich und seine einzelnen Glieder. (April 24.) 145 
der freisinnige Redner auf die unhaltbaren Zustände am Berliner zahn- 
ärztlichen Institut hin; ferner stellte er die Frage, welche Gründe aus- 
schlaggebend gewesen seien, um für die Stelle eines Professors der prak- 
tischen Theologie an der Berliner Universität den Konsistorialrat Mahling 
in Frankfurt a. M. zu berufen. Nach Mitteilungen der Presse sei dieser 
err wissenschaftlich minderwertig. Endlich fragte er, ob in absehbarer 
9# beabsichtigt sei, ein Universitätsgesetz für Lehrende und Lernende zu 
erlassen. Ein Gesetz für die Studierenden sei um so dringender geworden, 
als die Studenten, ungeachtet des neuen Reichsvereinsgesetzes, außerhalb 
jedes Rechtes ständen, Versammlungen ohne Genehmigung des Rektors 
abzuhalten usw. In Bezug auf die Stellung der Dozenten müsse geprüft 
werden, ob den außerordentlichen Professoren nicht eine andere Stellung 
innerhalb des Lehrkörpers zuteil werden müsse. Der nationalliberale 
Redner unterstützte diese Anregungen in der Hauptsache. Ein Vertreter 
der Unterrichtsverwaltung erwiderte, daß für die Berufung des Professors 
Mahling namentlich der Umstand ausschlaggebend gewesen sei, daß er auf 
dem Gebiete der inneren Mission überaus erfahren sei; man müsse den 
verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen Rechnung tragen und diese iustitia 
distributiva sei auch vom Hause anerkannt. Die Fakultäten hätten an sich 
nicht das Recht der Berufung, sondern dieses Recht gehöre der Krone oder 
werde im Wege der Designation durch den Minister ausgeübt. Auf den 
Professor Mahling sei die Unterrichtsverwaltung durch ein Separatvotum 
der Fakultät hingewiesen worden. Jedenfalls sei Herr Mahling nunmehr 
in der Lage, seine praktischen Erfahrungen auf dem Gebiete der inneren 
Mission den Studierenden mitzuteilen. In Bezug auf die Stellung der 
außerordentlichen Professoren gibt die Regierung die Erklärung ab, daß 
man allerdings beabsichtige, wenigstens den etatmäßigen oder mit einem 
besondern Lehrauftrag angestellten außerordentlichen Professoren, allerdings 
mit Ausnahme der Berliner Universität, wo dies nicht angängig sei, das 
Recht der Rektorwahl zu gewähren. Ueber die VBerleihung des Titels 
Dr. med. vet. schwebten nach wie vor Erwägungen. 
24. April. In der Presse finden sich Ueberblicke über ein 
Vierteljahrhundert deutscher Kolonialpolitik in Erinnerung an Bis- 
marcks Telegramm vom 24. April 1884, worin er dem General- 
konful in Kapstadt mitteilte, daß die Besitzungen des Herrn Lüderitz 
in der Bucht Angra Pequena unter dem Schutz des Deutschen Reiches 
ständen. 
24. April. (Zur Reichsfinanzreform.) Die „Konservative 
Korrespondenz“ veröffentlicht folgenden Beschluß des engeren Aus- 
schusses der Konservativen Partei: 
Der Ausschuß der konservativen Partei nimmt die von seiten des 
konservativen Landesvereins im Königreich Sachsen infolge besonderer 
Landesverhältnisse eingenommene Stellung zur Frage der Nachlaß= oder 
Erbanfallsteuer zur Kenntnis. Er beschließt für die Gesamtpartei: a) die 
konservative Reichstagsfraktion aufzufordern, so wie bisher mit aller Ent- 
schiedenheit auf ein Zustandekommen der Reichsfinanzreform hinzuwirken, 
dabei jedoch an Stelle und zum vollen Ersatz einer Ausdehnung der 
Nachlaß= oder Erbanfallsteuer auf Kinder und Ehegatten, wogegen von 
der konservativen Delegiertenversammlung schon am 11. Dezember 1907 
einmütig Stellung genommen worden ist, eine Reichswertzuwachssteuer in 
Europässcher Geschichtskalenden. 1. 10
	        
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