Das Veutsche Reich und seine einzelnen Slieder. (Juni 21.) 231
aus die ernsten Gefahren und Bedenken darzulegen, die der Kotierungs-
steuer entgegenstehen und die so schwerwiegend sind, daß die verbündeten
Regierungen glauben, sich diesem gesetzgeberischen Vorgehen nicht anschließen
zu können. Der Gedanke einer Kotierungssteuer ist an sich durchaus
richtig und enthält an sich etwas Sympathisches und Berechtigtes. Bei
näherer Prüfung kommen aber doch schwerwiegende Bedenken gegen sie,
und wenn hier eine Anzahl Finanzmänner angeführt worden sind, die
sich früher sympathisch diesen Gedanken gegenübergestellt haben, so liegt
dies eben daran, daß in diesem Gedanken prinzipiell etwas Sympathisches
liegt, daß aber damals gar kein Anlaß vorlag, dem Gedanken näher nach-
zugehen, was sicherlich schwere Bedenken zutage gefördert hätte. Der Ab-
eordnete Raab hat als Zweck der Kotierungssteuer hingestellt, daß die
orse selbst mit 60 Millionen getroffen werden solle. Die Börse ist ein
wertvolles Instrument in unserm Wirtschaftsleben und für unsere Kriegs-
bereitschaft, aber die Börse wird gar nicht so der Träger dieser Last sein,
sondern das deutsche Volk, die Besitzer der Papiere, die großen und kleinen
Kapitalisten. (Widerspruch und Rufe: Das wollen wir ja.) Eine recht
große Anzahl kleiner Kapitalisten legt zweifellos einen Teil des Vermögens
in Staatspapieren oder ähnlichen Papieren an. Aber zur Aufbesserung
ihres schmalen Besitzeinkommens sehen sie sich veranlaßt, den andern Teil
in ein paar guten Aktien anzulegen. (Sehr wahr! links.) Ohne Frage
ist die Kotierungssteuer ein unbilliger und einseitiger Zuschlag zur Ver-
mögens- und Einkommensteuer, und gerade weil diese Kotierungssteuer bei
uns ein Zuschlag zur Einkommensteuer wird, kann man auf das französische
Beispiel sich nicht berufen. Die Kotierungssteuer würde auch dazu führen,
die Kapitalbeschaffung zu erschweren und die Zinssätze zu verteuern, das
gilt für alle Papiere, auch für die landschaftlichen und Hypothekenpapiere.
Bei neuen Emissionen würden sie gezwungen sein, einen entsprechend höhern
Zinsfuß zu fordern. Eine Verteuerung würde also die Folge sein. Parallel
mit der Steigerung des Zinsfußes muß aber auch ein Sinken des Kurs-
werts gehen. Dieser Kursverlust aber wäre ein definitiver, ein dauernder
im Gegensatz zu den gewöhnlichen Kursschwankungen, die bei besserer
Konjunktur wieder wettgemacht werden können.
Nehmen wir beispielsweise die Deutsche Bank. Hier würde die
Kotierungssteuer die Dividende, die zuletzt 12 Prozent betrug, das heißt
also 120 Mark, um 1,20 Mark vermindern. In gleichem Maße wie die
Dividende müßte dann auch der Kurs sinken. Die Besitzer der Aktien der
Deutschen Bank würden eine nicht wieder einzubringende Schädigung des
Vermögens von 28 bis 29 Millionen Mark erleiden. (Lebhaftes Hört,
hört! links.) Bei der Reichsbank würde der Verlust rund 30 Millionen
Mark betragen und dadurch würde ein großer Teil von kleinen und
mittlern Kapitalisten getroffen werden. An Kommunalpapieren, Pfand-
briefen, Hypotheken usw. haben wir ungefähr 20 Milliarden. Hier würde
der Kursverlust 5- bis 600 Millionen Mark betragen. (Hört, hört! links.)
Bei den industriellen Werten dürfte sich ein Kursverlust von 110 Millionen
herausstellen. Im ganzen darf man wohl behaupten, daß die Einführung
der Kotierungssteuer ein plötzliches Sinken des Kurses zur Folge hätte,
das einem dauernden Verlust an Volksvermögen von etwa zwei Milliarden
Mark gleichkäme. (Hört, hört! links.) Das geringe finanzielle Ergebnis
der Kotierungssteuer würde mit allgemein und volkswirtschaftlich außer-
ordentlich schweren Schäden verbunden sein. Das gute deutsche Geld
würde ins Ausland gehen. Es gibt eine ganze Anzahl von Börsen rings
umher, die unser deutsches Kapital mit offenen Armen aufnehmen, nicht
nur in Brüssel, Antwerpen und Kopenhagen. Herr Roeesicke hat unrecht,