Das Denisqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 14.) 285
hat dem Zusammenwirken des Bundesrats mit seinem Vorsitzenden den
festen Halt des Vertrauens gegeben. Wenn sich jetzt das Band gemein-
samer Arbeit löst, so geleite Euer Durchlaucht das Bewußtsein, daß die
glänzende Periode Ihres Schaffens und Kämpfens bei dem Bundesrat,
der Ihnen seinen ehrerbietigen Abschiedsgruß darbringt, in dankbarem
Gedächtnis bewahrt bleibt.
14. Juli. Fürst Bülow über seinen Rücktritt.
Der „Hamburgische Correspondent" berichtet über eine Unterredung,
die sein Chefredakteur v. Eckardt mit dem Fürsten Bülow über einige,
dessen Rücktritt betreffende Fragen gehabt hat. Fürst Bülow erklärte
unächst, er werde nach seinem Rücktritt politische Kundgebungen an die
Deffentlichkeit vermeiden, und betonte weiter, er hätte es für eine Untreue
gechaalten, wenn er dem Wunsch des Kaisers, bis nach Erledigung der
eichsfinanzreform im Amt zu bleiben, nicht nachgekommen wäre; nur
dieser Wunsch, nicht etwa Rücksichten auf den Reichstag und die Parteien
hätten ihn zum Bleiben bestimmt. Er fuhr dann fort: „Wenn ich es
nicht für richtig gehalten habe, dem Kaiser die Auflösung vorzuschlagen,
so haben mich sachliche Gründe bestimmt. Ich mußte anderen Erwägungen
folgen als der Parteimann. Ich mußte auch die Zukunft im Auge be-
halten. Ich konnte mich nicht für einen Wahlkampf begeistern, der nach
rechts hätte geführt werden müssen und zum notwendigen Ergebnis eine
gar nicht abzuschätzende Verstärkung des Radikalismus und speziell der
Sozialdemokratie gehabt hätte. Die Auflösung hätte zudem eine Ver-
schiebung der Reichsfinanzreform zur Folge gehabt, und niemand weiß
mehr als ich, wie sehr die Einzelstaaten die endliche Erledigung der Sache
herbeisehnten, wie außerordentlich sie unter einer weiteren Verzögerung
zu leiden gehabt hätten. Und dann: hätte denn ein im Kampfe gegen
rechts zusammengebrachter Reichstag eine Mehrheit für eine im Sinne der
Reichsregierung brauchbare Reform zur Verfügung gestellt? Vom Stand-
punkt der Befürworter der Auflösung wäre günstigstenfalls eine liberal-
sozialdemokratische Mehrheit zu erwarten gewesen. Von einer solchen
Mehrheit hätten wir 400 Millionen indirekter Steuern nicht erhalten
können. Nach Lage der Dinge konnte in diesem Augenblick die Auflösung
für die verbündeten Regierungen nicht in Frage kommen. Niemand be-
dauert tiefer als ich, daß die Erweiterung der Erbschaftssteuer gefallen ist.
Die Folgen der Ablehnung dieser vernünftigen und gerechten Steuer werden
sich in ernster Weise bemerkbar machen. Daß das Zentrum die Erbschafts-
steuer zu Fall gebracht hat, hat mich nicht gewundert. Das Zentrum hat
sich über die unbestreitbaren Vorzüge dieser Steuer, über die Tatsache,
daß viele seiner namhaftesten Vertreter ebenso wie leitende Zentrumsblätter
seit Jahren für diese Steuer eingetreten sind, über die Tatsache, daß sie
sozialpolitisch und steuertechnisch dem Zentrumsprogramm entspricht —,
über alles das hat sich das Zentrum in dem Augenblick mit der ihm
eigenen taktischen Elastizität hinweggesetzt, wo es hoffen konnte, die Konser-
vativen zu sich herüberzuziehen und mir damit ein Bein zu. stellen. Ich
nehme das dem Zentrum auch gar nicht übel. Ich nehme das dem Zentrum
so wenig übel, wie ich die gleiche Haltung den Polen übel nehme, die
auch, obwohl an und für sich Freunde der Erbschaftssteuer, aus Haß gegen
mich gegen die Erweiterung der Erbschaftssteuer gestimmt haben. A la
guerre comme à la guerre. Von der Seite hatte ich es nicht anders
erwartet. Die Haltung der Konservativen ist mir weniger verständlich
gewesen, und es wird auch nicht gelingen, sie dem Lande verständlich zu
machen. Der Eindruck wird unverwischbar haften, daß die Konservativen.