Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Das Denische Reit und seine einjelnen Slieder. (Juli 14.) 287 
sehen, ob die Fortschritte des Deutschtums in der Ostmark, die von den 
Oberpräsidenten von Posen und Westpreußen gerade in der letzten Zeit 
konstatiert worden sind, aufrechterhalten und weiter entwickelt werden, ob 
man die Welfen niederhalten wird, die im Jahre 1907 fortgefegt worden 
sind. Wenn dies gelingt, so wird sich niemand mehr darüber freuen als 
ich. Denn ich werde darin die Bestätigung erhalten, daß ich mit meiner 
Politik auf dem richtigen Wege war, daß sie sich durchsetzt trotz der Fehler 
der Konservativen. Wenn nicht, so wird man darin das schlimme Er- 
gebnis der Haltung der Konservativen zu sehen haben, die dann als frivoles 
Spiel mit den Interessen der Monarchie und des Landes erkannt werden 
würde. Bei Philippi sehen wir uns wieder.“ 
Im weiteren Verlauf der Unterredung wies Herr v. Eckardt darauf 
hin, daß in der konservativen Presse nach wie vor behauptet werde, das 
Abschiedsgesuch des Fürsten Bülow sei nicht gerechtfertigt gewesen, und 
die konservativ. Partei habe ihn nicht gestürzt. Fürst Bülow betonte, daß 
zwischen ihm und dem Kaiser kein Mißverständnis, kein Mißklang 
irgend welcher Art bestehe. Daran knüpfte er folgende Ausführungen: 
„Die Ernennung wie die Entlassung der Minister hängt verfassungsmäßig 
lediglich von der Krone ab. Es können aber Situationen entstehen, wo 
ein Minister, der Ueberzeugungen hat und es ernst mit seinen Ueber- 
zeugungen nimmt, nicht im Amte bleiben kann. Daß eine solche Situation 
für mich entstehen könnte, darauf habe ich die Konservativen rechtzeitig 
hingewiesen, im Reichstage und unter vier Augen, offen und ehrlich, in 
einer Weise, die jeden Zweifel ausschloß. Solche Zweifel haben auch bei 
der konservativen Parteileitung gar nicht bestanden. Sie war sich über 
den Charakter meiner Warnungen durchaus im klaren. Sie wußten, daß 
ihre Taktik mich zum Rücktritt zwingen mußte. Indem sie meinen War- 
nungen keine Rechnung trugen, haben sie mil Bewußtsein eine Lage herbei- 
geführt, in der ich nicht bleiben konnte. Man scheint den Eindruck dieser 
Vorgänge dadurch abschwächen zu wollen, daß man es so hinstellt, als 
hätte ich auch schon bei früheren Vorschlägen und Gesetzesvorlagen mit 
meinem Rücktritt gedroht, als hätte man also meine Warnungen nicht 
ernst zu nehmen brauchen. Ich erkläre, daß ich bei keiner früheren Vor- 
lage und keinem früheren Vorschlag jemals den Konservativen meine De- 
mission in Aussicht gestellt habe. Es ist endlich irrig und unrichtig und 
es ist irreführend, die Sache so darzustellen, als hätte ich meine Entlassung 
lediglich aus dem Grunde genommen, weil die Erweiterung der Erbschafts- 
steuer nicht durchgegangen ist. Gewiß, das würde allen Traditionen wider- 
sprechen, wenn ein Minister ginge, weil eine von ihm vorgeschlagene Ge- 
setzesvorlage vom Parlament abgelehnt wird. Das ist aber gar nicht der 
Grund meiner Entschließung. Ich habe mich zum Rücktritt ent- 
schlossen, weil durch die Haltung der konservativen Partei 
eine politische Konstellation herbeigeführt worden ist, welche 
unter Trennung von den liberalen Parteien und sogar von 
den Waffenbrüdern des alten Bismarckschen Kartells die Kon- 
servativen zum engsten Bund mit dem Zentrum und den Polen 
geführt und dadurch das Zentrum wieder zur ausschlaggebenden 
Partei gemacht hat. Die Folgen dieser Haltung der Konservativen und 
die hierdurch herbeigeführte Konstellation haben mein Verbleiben im Amte 
unmöglich gemacht. Jedermann weiß, wie fern mir auf konfessionellem 
Gebiete Ungerechtigkeit, Vorurteil und Voreingenommenheit liegen. Wir 
waren von der Möglichkeit eines Kulturkampfes nie weiter entfernt als 
während meiner Amtszeit. Aber daß eine Partei, die auf konfessioneller 
Basis steht, durch konfessionelle Gesichtspunkte zusammengehalten wird und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.