398 He Veutsche Reich und seine einzeluen Slieder. (Dezember 14./15.)
nehmern zu mißtrauen. Er bejaht sie und weist darauf hin, daß die
führenden Männer im Bergwesen sich von jeher geweigert hätten, die
Arbeiterorganisationen als verhandlungsfähig anzuerkennen. Wenn die
Unternehmer nichts weiter wollen, als Ordnung schaffen, warum lassen
sie sich dann nicht in die Karten schauen? Warum weisen sie die Kontrolle
der Arbeiter zurück? Ueber kurz oder lang wird der Arbeitsnachweis
reichsgesetzlich geregelt werden müssen. Dann wird der Arbeitsnachweis
wirklich neutral sein, wenn er aus dem Kampfe der Parteien heraus-
genommen wird. Auch heute noch ist dem Arbeitgeber vieles erlaubt, das
den Arbeiter — würde er ebenso handeln — ins Gefängnis bringen würde.
Die nationale Arbeiterschaft will keine einseitige Begünstigung, sie will
Gleichberechtigung. Hätten Arbeitskammern schon bestanden, so hätte diese
im Ruhrrevier jetzt die Dinge regeln können. Freilich, der Arbeitersekretär-
W“ ist von äußerster Wichtigkeit dabei. Mehr Dampf, Herr Staats-
ekretär!
Abg. Dr. Naumann (frs. Vgg.): Der Staatssekretär stellte sich gestern
ganz korrekt auf den Standpunkt der Gewerbeordnung von 1869 und mit
diesen Begriffen des Jahres 1869 beleuchtete er eine Situation, die in-
zwischen vollständig anders geworden ist, die Gewerbeordnung von 1869
beruht auf dem Gedankengang des Vertrags, den der einzelne mit dem
einzelnen schließt. Heute gibt es diesen Vertrag des einzelnen mit dem
einzelnen nur noch in den alleruntersten Schichten des gewerblichen Daseins.
In der Kohlenindustrie gibt es diesen Einzelvertrag nicht. Das Kohlen-
kontor macht die äußere Politik, und im Grunde sind es dieselben vierzehn
Größen, die im Kohlensyndikat allein die Kontingentierung in der Hand
haben, die auch im Zechenverband die ausschlaggebende Macht ausüben,
die aristokratische Republik des Mittelalters! und dieser Apparat wächst
sich heute aus zu einer Art territorialer Herrschaft. Wie sie im Mittel-
alter unter dem Schutz des Kaisertums heranwuchs und schließlich das
alte Kaisertum gesprengt hat, so wächst unter dem Schutz des vorhandenen
Rechts und der Gewerbeordnung, gedeckt und geschützt durch die Minister
der Gegenwart, ein neues Machtsystem in die Höhe, Tribut fordernd von
allen, mit denen es in Berührung kommt. Den Arbeitern gegenüber
etabliert sich die Obrigkeit, eine Obrigkeit unter dem Schutz des sogenannten
Einzelvertrages. 162000 Arbeiter werden aus dem Osten in dieses Gebiet
gebracht, und der Staatssekretär sagt: Ich kann nichts dazu tun, denn da
sind 162000 Einzelverträge, und Einzelvertrag steht in der Gewerbeordnung
von 1869, und da dieses das heilige Buch des Staatssekretärs des Innern
ist, so bin ich vollständig wehrlos gegen einen derartigen geschichtlichen
Vorgang ... Nun hat der Staatssekretär gesagt, das Statut sei harmlos.
Statute sind meist harmlos. Das liegt im Wesen eines Statuts. Ich habe
übrigens nie gefunden, daß die Staatsregierung früher, wenn sie Vereine
auflösen wollte, sich auch nur an den Worlaut der Statuten gehalten hätte.
Sie hat immer gefragt, was denn durch ein solches Statut tatsächlich be-
zweckt würde. Dann sagte der Staatssekretär, er hätte sich bei einem
hervorragenden Manne erkundigt. Der Abg. Hue hat ihn zweimal gefragt,
warum er nicht auch mit Arbeitern gesprochen hat. Der Staatssekretär
hört sehr gut, aber diese Fragen hat er nicht gehört. Was hilft es, wenn
der Staatssektetär einen Herrn fragt, der in der Führung dieses Kohlen-
regimes drin sitzt! Dem Mann geht es vielleicht so, wie es Königen so
oft geht, daß sie keine Ahnung haben von dem, was da unten im Namen
des Königs im einzelnen gesündigt wird. Der Kohlenkönig hat größeres
zu tun. Vielleicht findet man in Rheinland-Westfalen zur Kennzeichnung
der Leute, die man aussondert, einen als Hetzer und sagt „dienstlich un-