Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfundzwanzigster Jahrgang. 1909. (50)

Neberit 1ber die polilisze Gutwishelnng des Jahres 1900. 703 
Im Britischen Reiche traten neben dem Problem einer 
besseren Reichsrüstung ernste Verfassungsfragen in den Vordergrund. 
Der Tendenz der letzten Jahre, die Flottengeschwader aus 
den ostafiatischen und Pazifischen Gewässern zurückzuziehen, trat auf 
der im August in London abgehaltenen Konferenz über die Reichs- 
verteidigung der Wunsch der Kolonien, die von ihnen aufgebrachten 
Flottenverstärkungen an den eigenen Küsten zu behalten, entgegen. 
Neuseeland will einstweilen seine Geldbeiträge für den Schiffsbau 
der Admiralität zur Verfügung stellen, erwartet aber die Statio- 
nierung eines Panzerkreuzers in australischen Gewässern. Austra- 
lien bereitet die Bildung einer eigenen Verteidigungsflotte vor. 
Kanada unterhält aus eigenen Mitteln Flottenstationen an seinen 
Ost- und Westküsten, aber in so kleinen Dimensionen, daß ihnen 
erst die Verstärkung durch englische Geschwader Sicherheit geben 
kann. Südafrika und Indien sind bei den Vorbereitungen einer 
Reichsrüstung zur See noch nicht beteiligt. Die Landarmeen des 
Mutterlandes und der Kolonien sollen in ihrer Ausrüstung und 
Ausbildung in genaue Uebereinstimmung gebracht und ihre Offi= 
ziere gleichmäßig ausgebildet werden. Lord Kitchener ist zum 
Organisator einer einheitlichen Reichsverteidigung bestellt worden. 
Der Widerstand, den die Regierungsvorlagen über die Beschrän- 
kung der Schankstättenzahl und über die Beseitigung der geistlichen 
Schulaufsicht im Oberhause gefunden hatten, steigerte den Gegensatz 
zwischen der liberalen Regierung und dem Oberhaus zu solcher Höhe, 
daß die Durchführung der schon 1907 von Sir Heury Campbell- 
Bannerman angedrohten Verminderung der gesetzlichen Macht der 
Lords ein dringendes Bedürfnis wurde. Denn die Konservativen 
schienen systematisch das Uebergewicht, das sie im Oberhause haben, 
dazu benutzen zu wollen, die liberale Regierung zu keinem gesetz- 
geberischen Erfolge kommen zu lassen und fie dadurch zu diskredi- 
tieren. Dagegen waren außer der Campbell-Bannermanschen Drohung 
zwei Mittel vorgeschlagen worden: Erstens eine Reform des Ober- 
hauses nach den Vorschlägen des Select Committee, das auf Vor- 
schlag des Lord Roseberry eingesetzt worden war und im Dezember 
1908 seine Arbeiten beendigte; aber es war doch fraglich, ob in 
dem reformierten, aus 400 Peers bestehenden Oberhaus das stän-
	        
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