Das Denisqhe Reich und seine rimelnen Glieder. (Februar 19.) 73
polizei kein anderes Interesse, als daß ich festzustellen habe, ob für diese
entlassenen Beamten ein geeigneter Ersatz zu schaffen und eventuell geschafft
worden ist. Nach dem Bericht des königlichen Oberbergamts ist das letztere
der Fall. Nach dem mir vorliegenden Material ist der Ausgangspunkt des
Streites ein anderer gewesen. Es wurde ein Mann entlassen, der nicht eine
etatsmäßige Stelle hatte, weil er teilgenommen hatte an einer Versammlung
gegen den Anschluß auf Erweiterung des Kattowitzer Werkes. Wenn von
seiten der technischen Beamten ein Einspruch erhoben wurde, so geschah es
aus den Motiven der Konkurrenz. Die Beamten haben in öffentlicher
Versammlung Stellung genommen gegen eine rein sachliche Maßnahme
der Bergverwaltung auf Vermehrung des technischen Personals. Das war
der Ausgangspunkt. Herr Schepp sagte dann, die Regierung müsse unter
allen Umständen geeignete Maßnahmen treffen, um die Koalitionsfreiheit
der Beamten zu sichern. Ich stehe in dieser Beziehung allerdings auf dem
Standpunkte, den der Staatssekretär des Reichsamts des Innern im
Reichstage dargelegt hat: Die Koalitionsfreiheit ist nicht einseitig dem
Arbeitnehmer gegeben, sondern naturgemäß auch dem Arbeitgeber. Die
Maßregelung eines Arbeiters, eines Angestellten wegen Zugehörigkeit zu
einer Organisation steht auf demselben Boden wie ein Boykott, eine Sperre
bestimmter Gebiete seitens der Sozialdemokratie, weil die betreffenden Leute
einer andern politischen Richtung angehören. Was dem einen recht ist,
ist dem andern billig. Ich will zugeben, daß das Koalitionswesen nach
beiden Seiten, nach Seiten des Arbeitgebers und Arbeitnehmers, vielleicht
eine Einschränkung erwünscht erscheinen lassen kann. Aber wenn diese Ein-
schränkung erfolgt, soll selbstverständlich mit gleichem Maß gemessen werden
und nicht bloß die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeber, sondern auch die
der Arbeitnehmer mit gleichem Maße beschränkt werden. Der jetzige
Rechtszustand genügt. Sie dürfen nicht vergessen, daß es an sich möglich
ist, einen Boykott, eine Sperre anzufechten, die wegen derartiger Angriffe
erfolgt sind. Das Reichsgericht hat von Fall zu Fall entschieden: In
diesem Fall war die Sperre, die Entlassung, der Boykott begründet. Aus
diesen Reichsgerichtsentscheidungen, die rein aus der Praxis der einzelnen
Fälle ergangen sind, haben sich allmählich gewisse Grundsätze für diese
Frage ergeben. Ich halte das für die glücklichste Lösung der Frage. Daß
die Koalitionsfreiheit nur beschränkt wird für die Arbeitgeber, ist völlig
ausgeschlossen. (Beifall.)
19. Februar. Reichsfinanzreform.
In der Unterkommission, die das Erbschaftssteuergesetz von 1906
durchberaten und sonstige Mittel zur Deckung etwaiger durch Ablehnung
der Nachlaßsteuer entstehender Fehlbeträge durch Belastung des Besitzes
finden sollte, werden alle von der Regierung für annehmbar erklärten
Vorschläge mit großer Majorität abgelehnt. So auch die von den Frei-
sinnigen und Sozialdemokraten beantragte Einführung der Erbschafts-
besteuerung der Ehegatten und Deszendenten. Verschiedene Vorschläge gehen
darauf aus, die Bundesstaaten reichsgesetzlich zu einer Abgabe an das
Reich in Höhe von 150 Millionen Mark zu verpflichten, die aber, soweit
sie den Satz von 40 Pfennig pro Kopf der Bevölkerung übersteigen, nur
durch Besteuerung des Besitzes aufzubringen sind. Die Nationalliberalen
schlagen eine Reichsvermögenssteuer vor, die aber von der Regierung für
unannehmbar erklärt wird. Obwohl kein Antrag eine Mehrheit findet,
bildet sich die Ueberzeugung, daß die Erklärung des Schazsetretärs, daß
er an sich einer Erbschaftssteuer, die sich auf Ehegatten und Kinder erstrecke,
zusltarmen könne, den Uebergang bilden könne zum Verzicht auf die Nach-
laßsteuer.