Full text: Das Völkerrecht.

2 Einleitung. 
waltungsrechtlichen, Rechtsregeln bezogen. Da nicht die Völker, 
sondern die Staaten die völkerrechtlichen Rechtssubjekte bilden, 
würde der von Kant in seinen „Metaphysischen Anfangsgründen 
der Rechtslehre* 1797 gebrauchte Ausdruck „Staatenrecht“ sich 
am meisten empfehlen. 
Das Völkerrecht hat es nur mit den Staaten als Staaten, 
d.h. in bezug auf die Ausübung der staatlichen Hoheitsrechte, zu 
tun. Der Staat als Träger von Vermögensrechten, als privatrecht- 
liches Rechtssubjekt, steht nicht unter den Rechtssätzen des Völker- 
rechts, sondern (vgl. aber unten $ 7 III) unter denjenigen des 
Privatrechts. 
1. Die Völkerrechtsgemeinschaft (la communaut& du droit des 
gens, la famille des nations) wird umgrenzt durch die gemeinsame 
Reehtsüberzeugung, die auf der Gemeinsamkeit der Kultur und der 
Interessen beruht. Sie kennzeichnet sich durch den regelmäßigen und 
umfassenden Verkehr auf dem Fuße der Gleiehberechtigung. 
Die durch das Völkerrecht umschlossene Staatengemeinschaft 
ist zunächst (das ist das ideelle Moment) eine Kulturgemein- 
schaft. Sie beruht als solche in letzter Linie auf der Gemeinsam- 
keit der religiös-ethischen Überzeugungen, die durch das christliche 
Bekenntnis nicht olıne weiteres gegeben und an dieses nicht un- 
bedingt gebunden ist. Sie setzt aber weiter die Gemeinsamkeit der 
rechtlich-politischen Überzeugungen voraus: insbesondere, daß die 
Grenzlinie zwischen der Macht der Staatsgewalt und der Freiheit 
des einzelnen in Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltung gegen 
willkürliche Verrückung, sei es durch den Herrscher, sei es durch 
die Beherrschten, gesichert sei. 
Die Staatengemeinschaft ist ferner auch (und das ist das ma- 
terielle Moment) eine Interessengemeinschaft. Der steigende 
Austausch materieller und geistiger Güter zwischen den Staaten 
weist jeden von ihnen auf jeden andern hin, läßt ihn seine tat- 
sächliche Abhängigkeit von allen andern (seine „interd&pendance‘“) 
erkennen und zwingt ihn zur Verständigung mit allen übrigen, um 
in Gemeinschaft mit ihnen die eigenen Interessen zu sichern und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.