610 AIAhaus I. Illsemeines. Juternationale Kongsresse. Enthüllmsrn.
hingehen sollten. Denn mit geistlichen Herren, die mit solchem Fanatismus
die Welt in ein von unserer Anschauung abgrundtief verschiedenes System
hineinzwängen zu können glauben, ist eine ehrliche Verständigung und ein
halbwegs brauchbarer modus vivendi einfach unmöglich. Zum Schlufse
schlug Herr Korum zwar etwas friedlichere Töne an und meinte, vielleicht
ließe sich später, wenn der Kampf in ein ruhigeres Stadium eingetreten sei,
ein besseres Nebeneinander erzielen. Wir bemerkten aber, wie selbst sachliche
Notizen der „Köln. Volkszeitung" gegen das von Herrn Korum vertretene
System von ihm als hämische Bekämpfung angesehen werden. Den Katholiken
Deutschlands um den Volksverein, die Köln. Volkszeitung r2c. wird also einn-
weilen kaum etwas anderes übrig bleiben, als Fanatiker eben möglichst
links liegen zu lassen.
Ich habe Ihnen ausführlich geschrieben, weil bei Ihrer Anwesenheit
in Rom Ihnen diese Orientierung nicht unerwünscht sein dürfte. Ueber die
Verhältnisse im Saarrevier und den Dr. Krückemeyerschen Brief können wir
vielleicht reden, wenn Sie von Rom zurückgekehrt sind.
12. Dezember. (Italien.) Aus Crispis Memoiren über die
Besuche in Friedrichsruhe.
Der Herausgeber, Crispis Neffe, Palamenghi, schildert in allen
Einzelheiten die freundliche Aufnahme Crispis am 27. September 1837,
und wie der Fürst durch diesen Besuch so elektrisiert wurde, daß er alle
seine Schmerzen vergaß. Crispi aß nach italienischer Sitte wenig und tar
Wasser in den Wein. Als Bismarck erstaunt fragte: „Sie trinken nicht,
Sie rauchen nicht, waren Sie auch in Ihrer Jugend so enthaltsam?“ ant-
wortete Crispi: „Ich habe mich niemals geändert!“ Crispi lobte übrigens
bei dieser Gelegenheit seinen sizilianischen Wein und sandte Bismarck bis
zu seinem Tode immer zu Weihnachten aus seinen Kellereien ein Faß süßen
und ein Faß herben Sizilianer Weins, den der Kanzler bei offiziellen Festen
als Dreibundwein seinen Gästen vorsetzte. Als Crispi in das Fremdenbuch
Bismarcks Friedensworte einzeichnete, sagte der Kanzler: „Sie haben meine
Gedanken verstanden! Wir führen keine Kriege mehr!“ Napolcon III.
charakterisierte der Kanzler als Ignoranten, obwohl er deutsche Schulen
besucht hatte. Er habe nicht gewußt, daß Kronstadt eine Insel war, und
wollte eine Aktion im Baltischen Meer durch Entsendung eines Kavallerie-
regimentes nach Kronstadt einleiten. Am 21. August 1888 war der zweite
Besuch Crispis bei Bismarck. Aus den Gesprächen zwischen beiden sei der
bevorstehende Abgang Bismarcks schon damals fühlbar gewesen. Crispi lud
Bismarck ein, nach Rom zu kommen. Bismarck antwortete, trotz der Güre
des Kaisers glaube er schwerlich, daß er mich einlädt. Bei seiner Reise nach
Petersburg habe der Kaiser gesagt: „Herbert fährt mit mir!“ was bedeuten
sollte: „Sie bleiben hier!“ Das ist begreiflich, da der Kaiser 30 Jahre,
Herbert 38 und ich 74 Jahre alt. Zu Beccardo sagte Bismarck bei der
Arbeiter-Konferenz im Jahre 1890: „Crispi ist mein bester Freund!“
12. Dezember. (Brüssel.) Die Sitzungen der permanenten
Kommission der Zuckerkonferenz werden abgebrochen und auf den
29. Januar 1912 vertagt.
W. Dezember. (Paris.) Die „Nouvelle Revue“ veröffentlicht
ein Memorandum des verstorbenen Kardinals Mathieu vom Jahre
1904 über die Abschaffung des Zölibats für alle Priester.