Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtundzwanzigster Jahrgang. 1912. (53)

11 Das Deaiihe Reich und seint einzeluèn Glirder. (April 22.) 
Minderheit den Erlaß billigt. Im Interesse des sogialen Ausgleichs läge 
es auch. wenn die Forderungen an den Gymnasien nicht herabgesetzt würden: 
wir missen dem (Gelehrtenprolctoriot enernisch egegenarbeten, Wenn in 
Cumland jo großer Wert auf Spiel und Sport gelegt wird, so brauchen 
wir das noch lange nicht nachzumachen. Wir haben Englond in vieler 
Mrsichung. erholl. Nervösere Leute als in England gibt es doch nirgends 
auf der 2 
# „„aeil S8 Der Erlak ift leineswegs am grunen Tiich 
ruttunden. Schon vor 40 Jahren hat einer meiner unvergeßlichen Lehrer 
ein absälliges Urkeil —* vi Exteniporalien gefãllt. Auch andere einsichtige 
Vadagogen haben sich seit langem gegen das Extemporale gewondt. 
allgemeinen ist die Entwicklung des höyeren Schutwesens in Penhen eine 
durchaus erfreuliche, wie ich als alter, erfahrener Schumemn bestäligen 
kann: zu Pessimismus ist keinerit Anlaß. Es herricht im höheren Schul- 
weien ein frischer, moderner Geist. Trotz aller —4 von rechts und 
links ger! 1 Minier auf den Bahnen jortschreilen, die er eingeschlogen 
hat. (Beif 
veispd, Gh ube• v. Trott zu Solz: Vollig unrichtig ist die Meinung, 
dast unn die Alaisenarbeiten beseitim wären. In den oberen Klassen tritt 
überhaupt ein Umterschied gegen früher nicht ein; aber für die mittleren 
und unteren Alasien ist der Minstand abgestellt, daß gerade die jungen. 
noch schwächeren Schüler stärker zu den Extemporalien herangezogen werden 
als die der oberen Klassen, und es ist der Anspruch wieder auf das ge- 
hörige Maß zurücgeschranbt wocden, Die Behauptung, 5r durch den 
Erlaß die Ansorderungen an die Schule herabgemindert seien, wird min 
der Bestimmung begründet, daß eine Rensierung nicht eintreten soll, wenn 
ein erheblicher Teil der Extemporalien ungenügend ist. Diese Bestimmung 
ist ban iüchlich für den Lehrer berechnet. Ist eine bberwisgende Zahl der 
Schüler nicht imstande, vet, „Aufgabe beiriedigend zu lölen, da suche ich die 
Schuld vornehmlich beim Lehrer. Das ist nicht pädagogisch, * man 
die Schũler vor Arbeiten stellt, denen sie nia# gewanssen. sind. Die Arbeiten 
sollen nicht leicht sein, ober der Leistungsfähigkeit der Schüler entsprechen. 
Hat ein Lehrer zu hohe Anforderungen gestellt und ist das Ergebnis nich 
ausreichend, jo soll das nicht den Schülern angerechnet werden. Ich bin 
weit davon entfernt, die Nolwendigkeit angemesiener und strenger Ansor- 
derungen an die Schüler an den höheren Schulen in Abrede zu stellen. 
Ich bin auch der Ansicht, daß wir unser#e Schüler recht herannehmen müssen, 
um sie für die Anforderungen im Leben vorzubereiten. Die stramme Zucht, 
die bei uns gewanet hat und die durch die Armee geht, die Wahrhaftigkeit, 
mit der diese Forderung in unserem Staate auigestellt und durchneiührt 
wird, hat sich bei nnieren höheren Schulen bewährt und muß auch erhalten 
bleiben. Aber es muß noch enwas anderes heschehen. Ein bewährter Päd- 
agoge hat in einem pädagogischen Blatt einen lesenswerten Anisaß mit 
der Ueberichriit Krichrieben: Zucht, Liebe und Vertrauen. Er hat mil Recht 
Zucht zuerst an die Spitze geitellt, aber er hat binzugesügt: Liebe und Ver- 
trauen. Er hat damit die Aussasiung gelroficn, die auch ich von den 
Pflichten eines Lehrers habe. Der Lehrer muß in — stramme 
Zucht zu hallen wissen, er zun aber auch ieinen Schülern menschlich und 
välerlich entgegentreien. ihnen Licbe und Vertrauen entgegenbringen und 
Liebe und Vertrauen bei seinen Schülern ergelen, % ist der r echte 
Lehrer, das ist der Erzieher unjeres Voltes. Ach hoffe, daß auch in 48 
kunft aus der Mitte der hhai gie Wissenschaft gesördert wird: 
dazu sind doch nur wenige bernien. Alle aber msisen sich bestreben, in-t 
Ingenderzieher zu werden. Wer rans nicht die Lust und die nraft in
	        
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