Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 17.) 257 
eine Rede, die Seine Majestät der Kaiser als Prinz Wilhelm am 8. Februar 
1888 im Brandenburgischen Provinziallandtag gehalten, und in der er sich 
feierlich dagegen verwahrt hat, daß ihm nach Ruhm lüsterne Kriegsgedanken 
imputiert würden. Auf meinen Ritten durch die Mark, so drückte er sich 
aus, haben mich die blühenden Gefilde und die in vollem Betriebe befind- 
lichen Gewerbe genugsam davon überzeugt, worin der wahre Grund des 
Volkswohlstandes und der fruchtbaren Arbeit zu finden ist. Der Kontrast 
zwischen dem Blühen der Gewerbe und den politischen Gefahren, die bei 
Beginn des Jahres 1888 zu drohen schienen, gab dem Prinzen Wilhelm 
die Gelegenheit, ein Wort zu wiederholen und zu umschreiben, das wenige 
Tage zuvor unser großer Kanzler im Reichstage gesprochen hatte: „Wir 
Deutsche fürchten Gott und sonst nichts in der Welt. Dieses Wort, an- 
gesichts der zu Beginn des Jahres 1888 herrschenden Spannung als der 
ruhige Ausdruck deutscher Stärke gesprochen, ist welthistorisch geworden und 
wurde überall verstanden. Oft seitdem wird dieses Wort in den Ohren des 
Kaisers geklungen haben, wenn die politischen Verhältnisse sich ühnlich ge- 
stalteten wie 1888, und im Geiste des Volkes sollte es nicht vergessen sein. 
In manchen Kreisen sind in letzter Zeit Sorgen betreffs der Zukunft laut 
geworden, als habe jenes Bismarcksche Wort seine Kraft verloren. Dem 
ist nicht so. Die deutsche Kraft, in der Person unseres Kaisers verkörpert, 
steht unerschüttert ruhig und entschlossen vor uns. Darüber hinaus aber 
will ich bangen Zweiflern auf ihre sorgenden Fragen eine symbolische Ant- 
wort geben auf Grund eines Bildes, das mir kürzlich zu Gesicht gekommen. 
Der Kaiser und die Kaiserin hatten sich nach Ahlbeck begeben, um ein vom 
Kaiser für die Kinder Berliner Arbeiter gestiftetes Erholungsheim ein- 
zuweihen. Das Bild stellt den Kaiser und die Kaiserin inmitten einer großen 
Schar von Kindern dar, die sich freudig erregt um sie drängen und ihnen 
zujubeln. Ein Blick in die Augen der Kinder mag beiden für dieses Werk 
der Nächstenliebe gedankt haben. Mögen allerwärts und immerdar die 
Herzen der Jugend dem Kaiser entgegenjubeln. Solange die Jugend ihre 
frische Begeisterung dem Kaiser und dem Reiche entgegenbringt und mit 
starkem und reinem Empfinden von idealer Vaterlandsliebe getragen wird, 
solange bleibt das Bismarckssche Wort nicht nur bestehen, sondern findet 
seinen lauten Widerhall in der Kraft und der Begeisterung der Jugend. 
Unserem Kaiser aber wünschen wir, daß er, getragen von der Begeisterung 
von jung und alt, auch fernerhin wirken und walten möge als die Ver- 
körperung des Wortes .Wir Deutsche fürchten Gott und sonst nichts in der 
Welt’ zum Heile des Reichs."“ 
            17. Juni. (Berlin.) Kundgebung der Bundesfürsten zum 
Regierungsjubiläum des Kaisers. 
Bei dem Empfang der deutschen Bundesfürsten und der Präsidenten 
der Senate der Freien Städte hielt Prinzregent Ludwig von Banuern fol- 
gende Ansprache: „Eure Kaiserliche und Rönigliche Majestät! Ganz Deutsch- 
land begeht in festlicher Stimmung den Tag, an dem Eure Masestät auf 
ein fünfund zwanzigjähriges, segensreiches Walten als Deutscher Kaiser und 
König von Preußen zurückblicken. Die deutschen Bundesfürsten und die Ver- 
treter der Senate der Freien und Hansestädte, die mit dem führenden Bundes- 
staate Preußen in engster, unauflöslicher Gemeinschaft im Deutschen Reiche 
vereinigt sind, fühlen sich in erster Linie berufen, dieser freudigen Stim- 
mung feierlichen Ausdruck zu geben. Sie haben sich deshalb heute hier ver- 
sammelt, um Eurer Majestät die wärmsten Glück= und Segenswünsche dar- 
zubringen. Als im Jahre 1888 der Gründer des neuen Deutschen Reichs, 
Eurer Majestät unvergeßlicher Herr Großvater, reich an Jahren, reicher 
Europaischer Geschichtskalender.  LIV.              17
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.