300 D# Ventsche Reich und seine einzelnen Glieder. (August 25.)
läßliche Bedingung für das Blühen und Gedeihen des großen deutschen
Vaterlandes, das ist es, was die heutige Feier uns vor Augen führen soll.
In den letzten Jahrhunderten des römischen Kaisertums deutscher Nation
war der Glanz und die Herrlichkeit dieses alten Reiches immer mehr ver-
blichen. Die gemeinsamen Institutionen waren verkümmert und erstarrt.
Staatsgefühl und politischer Sinn, soweit sie überhaupt vorhanden waren,
wandten sich der Festigung und Vergrößerung der Territorialstaaten zu.
Was in diesen, namentlich in der Habsburgischen Hausmacht, in dem neuen
Königtum Preußen, aber auch in anderen deutschen Territorialstaaten geleistet
wurde, war vielfach bewunderungswürdig und von bleibendem Wert; aber
diese Entwicklung vollzog sich doch im wesentlichen nicht für, sondern gegen
das Reich als Ganzes. Die mittleren und kleineren Territorien des Reiches
sahen mit Mißtrauen auf die Absichten der größeren Nachbarn. Wenn an
den Rathäusern der Reichsstädte unter dem Bilde des Reichsadlers noch
der Spruch prangte: „sub umbra alarum tuarum protege nos"“, so war
der Glaube an den Schutz seiner Fittiche schon längst geschwunden. Als
nun der Sturm vom Westen losbrach, da versagte nicht nur die ohn-
mächtige Wehrverfassung des Reiches, auch die beiden deutschen Großmächte,
Oesterreich und Preußen, vermochten nicht angesichts der drohenden Gefahr
die geschichtlich gewordene Gegnerschaft zu überwinden und sich zu kräftigem,
gemeinsamem Handeln gegen den gemeinsamen Feind aufzuraffen. Jedes
auf sich selbst angewiesen, unterlagen beide vereinzelt dem Feldherrngenie
des fränkischen Eroberers und mußten die schonungslose Härte des Siegers
fühlen. Der größte Teil der übrigen Fürsten Deutschlands schloß sich, um
die Existenz ihrer Staaten aus dem allgemeinen Schiffbruch zu retten, unter
dem Protektorate des Franzosenkaisers zum Rheinbund zusammen und wurde
so der französischen Politik dienstbar. Das alte Reich löste sich auf, ruhm-
los und kaum beklagt. In diesen Zeiten tiefer Erniedrigung Deutschlands
war es ein Sproß aus dem Kreise der Rheinbundfürsten, der Bayerische
Kronprinz Ludwig, der das heilige Feuer des Deutschtums in begeisterten
Herzen pflegte und aus seinem Zorn und seiner Trauer um Deutschlands
Fall, aus seinen Hoffnungen auf eine bessere nationale Zukunft kein Hehl
machte. Bekannt sind seine Worte, die im Jahre 1805 die Begehung einer
Siegesfeier am Hofe der Kaiserin Josephine in Straßburg ihm inmitten
französischer Umgebung entlockte: „Das sollte mir die teuerste Siegesfeier
sein, wenn diese Stadt, in welcher ich geboren bin, wieder eine deutsche
Stadt sein wird.“ Von einem Aufenthalt in dem von den Franzosen be-
setzten Berlin im Jahre 1807 stammen seine Verse: „Auf ihr Teutschen!
Auf und sprengt die Ketten, die ein Korse euch hat angelegt!“ Ebendort,
im gleichen Jahre, hat Kronprinz Ludwig die ersten Schritte getan zu einem
Ehrentempel deutscher Größe, den er dann später in der Walhalla bei
Regensburg errichtete und der nach seiner Ansicht vor allem zur Erstarkung
deutschen Sinnes beitragen sollte. Es konnte nicht fehlen, daß derartige
Worte und Gesinnungen dem damaligen Zwingherrn Deutschlands zu Ohren
kamen und von diesem mit Feindseligkeit vergolten wurden, einer Feind-
seligkeit, die sich bis zu der Drohung verstieg: „Wer hindert mich, diesen
Prinzen erschießen zu lassen?“ Die Sinnesrichtung des Wittelsbacher
Thronerben war — so sehr er zeitlebens der Formenschönheit des griechischen
und römischen Altertums zugetan war — vor allem begründet in echter
Liebe zum Deutschen Volkstium, in Begeisterung für die Glanzzeiten der
Deutschen Geschichte und in der Freude an dem reichen Schatze Deutschen
Gemütes, Deutscher Kunst und Kultur. Voll Empfänglichkeit und Bewun-
derung für die zeitgenössischen Deutschen Dichterheroen, einen Schiller und
Goethe, teilte er doch nicht die weltbürgerliche Richtung ihrer Literatur-