Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

468 Die öserreichisch-#ungarische Monarcie. (November 15.—19.) 
bedauerte, daß der Tschechenklub die Einbringung der Ministeranklage ab- 
lehnte. Die Politik gegen die Slawen Oesterreichs werde von Berlin und 
Budapest aus gemacht. Der Italienisch-Liberale Titacco beschwerte sich über 
die oft geradezu unmenschliche Behandlung der Reichsitaliener in Triest. 
Die Regierung sollte im Innern nicht eine Politik treiben, die in grellem 
Widerspruch zu der äußeren Politik stehe. 
15. November. (Budapest.) Das Appellationsgericht verureilt 
die drei früheren Abgeordneten (der Justh= und Kossuthpartei), die 
im März 1910 den damaligen Ministerpräsidenten Graf Khuen- 
Hedervary und den Ackerbauminister Grafen Serenyi mit Tinten- 
fässern und andern schweren Gegenständen beworfen und verwundet 
hatten, zu 1 Monat Gefängnis und 100 Kronen Geldstrafe und zu 
15 Tagen Gefängnis. 
18. November. (Delegationen.) Heeresbudget. 
Das ordentliche Heereserfordernis beträgt 238926207 Kronen, das 
sind 37 Millionen mehr als die Hälfte des Erfordernisses des Jahres 1913. 
Bei Hinzurechnung der ordentlichen Ergänzungserfordernisse erhöht sich der 
angeforderte Mehrbetrag um weitere 6 /½ Millionen Kronen. Das außer- 
ordentliche Heereserfordernis beträgt 760 000 Kronen, daher um 161500 
Kronen mehr als im entsprechenden Halbjahresbudget des Jahres 1913. 
Das ordentliche Erfordernis für die Kriegsmarine beträgt 35 464050 Kronen, 
das außerordentliche 2674530 Kronen. Das Gesamterfordernis der Kriegs- 
marine ist um 744975 Kronen größer als im Halbjahresbudget 1913. Das 
Kriegsministerium fordert für 1913 Nachtragskredite im Gesamtbetrage von 
32 Millionen Kronen, von denen 22 Millionen verursacht sind durch die 
erhöhten Lebensmittelpreise und 10 Millionen für die Durchführung einiger 
unaufschiebbarer organisatorischer Maßnahmen. Das Kriegsministerium 
fordert weitere neun verschiedene außerordentliche Kredite im Gesamtbetrage 
von 446640000 Kronen. Diese Ziffer setzt sich zusammen aus dem Betrage 
von 357 Millionen Kronen für außerordentliche Aufwendungen zur Durch- 
führung besonderer Maßnahmen bei Heer und Marine infolge der Vorgänge 
auf dem Balkan in den Jahren 1912 und 1913, aus dem Betrage von rund 
90 Millionen Kronen, bei dem es sich um die auf das Halbjahr 1914 ent- 
fallenden Teilbeträge, die bereits von früheren Delegationen genehmigten 
außerordentlichen Heeres- und Marinekredite handelt, und aus 800000 Kronen 
für den Unterhalt der in die Monarchie geflüchteten und hier entwaffneten 
Angehörigen der türkischen Armee. 
19. November. (Wien.) Beim Empfang der Delegationen 
hielt der Kaiser folgende Thronrede: 
Ich nehme die Versicherung treuer Ergebenheit, welche Sie soeben 
an mich gerichtet haben, mit warmem Dank und aufrichtiger Freude ent- 
gegen. Die kriegerischen Verwicklungen am Balkan, deren Ausbruch Ihre 
Aufmerksamkeit anläßlich der letzten Delegationssession beschäftigte, haben 
mit der Beendigung des zweiten Balkankrieges ihren Abschluß gefunden. 
Im Verlauf der Krise war das Bestreben meiner Regierung darauf ge- 
richtet, die politischen und ökonomischen Interessen der Monarchie vor einer 
Schädigung zu bewahren und auf tunlichste Konsolidierung der Lage des 
nahen Ostens hinzuarbeiten. Angesichts der großen Bedeutung, welche das 
Adriatische Meer, als einziges Ausfalltor unseres maritimen Handels für 
die Monarchie besitzt, hat meine Regierung ihr besonderes Augenmerk auf 
 
	        
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