Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

590 JIlalien. (Dezember 16.) 
klärung zur Frage der albanesisch-griechischen Grenze erfolgte seinerzeit zu 
dem Zweck, internationale Verwicklungen zu vermeiden. Sie hätten ent- 
stehen können, wenn der Zweifel über die einträchtigen Bestrebungen der 
beiden Mächte angedauert hätte. Während der ganzen langen Orientkrise 
war der Dreibund immer einträchtig, und diese seine Eintracht, wie das 
intime Zusammenarbeiten zwischen Italien und Oesterreich-Ungarn, hat die 
Interessen jedes der drei Verbündeten wirksam garantiert. Barzilai hat 
gemeint, die Thronrede habe wenig vom Dreibund gesprochen; er hat viel- 
leicht nicht sehen wollen, daß es nicht notwendig war, längst Bekanntes 
und außerhalb der Diskussion Stehendes nochmals zu wiederholen, nämlich 
daß der eminent friedliche, defensive und ohne jede Aenderung erneuerte 
Dreibund die solide und sichere Grundlage unserer ganzen auswärtigen 
Politik bildet. Unsere Beziehungen mit Deutschland sind so intim, warm 
und herzlich, wie man nur wünschen kann. Unsere Beziehungen mit Oester- 
reich-Ungarn waren ebenfalls während der ganzen Balkankrisis intim und 
sind es heute noch, und das Verhalten der beiden Mächte war immer von 
dem Geiste gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Loyalität beseelt. 
Keine italienische Regierung hätte die Macht oder das Recht, eine nicht von 
der Mehrheit des Volkes und des Parlaments gewollte Politik zu verfolgen. 
Volk und Parlament zeigten aber auch wiederholt Verständnis dafür, daß 
eine auf dem Dreibund und innerhalb des Dreibundes auf gefestigte Be- 
ziehungen zwischen Italien und Oesterreich-Ungarn begründete Politik besser 
ist als jede andere, und die den großen nationalen Interessen entspricht. 
In der Frage der Reichsitaliener, ausf welche sich die Dekrete der Statt- 
halterschaft in Triest bezogen, gab Barzilai selbst die beste Antwort, indem 
er anerkannte, daß man nicht mehr erlangen konnte. Gerade weil es sich 
um Reichsitaliener handelte, konnten wir eine freundschaftliche diplomatische 
Aktion einleiten. Da die Schwierigkeiten groß waren, verdient das Werk 
Berchtolds und des Botschafters Merey, die eine dauernde Abkühlung der 
Freundschaft zwischen den beiden verbündeten Mächten abzuwenden ver- 
standen, um so höher geschätzt zu werden. Was die Haltung Oesterreich- 
Ungarns während des libyschen Krieges anbelangt, so vergaß Barzilai, daß 
die österreichische Regierung die einzige war, die öffentlich im Parlament 
erklärte, daß die Türkei für den Krieg verantwortlich war, und daß sie 
unter den ersten war, die unsere Souveränität über Libyen anerkannte und 
daß sie zuerst ein Konsulat in Tripolis einrichtete. Einige Redner spielten 
auf das Mißtrauen an, das bezüglich der Frage des Gleichgewichts im Mittel- 
meer im Auslande gegen uns herrschen soll. Wenn dieses Mißtrauen 
existiert, ist es gänzlich unbegründet. Was die von uns besetzten ägäischen 
Inseln anbelangt, so bleiben wir fest auf dem Boden des Vertrages von 
Lausanne. Die Regierung hält daher ihre Erklärungen vom 4. Dezember 
1912 und 22. Februar 1913 aufrecht. Italien beharre bei dem Grundsatz, 
daß keine Großmacht aus der gegenwärtigen Orientkrisis territoriale Vor- 
teile ziehen soll. Die Aufrechterhaltung des territorialen Statusquo und 
des gegenwärtigen Gleichgewichts der Großmächte im Mittelmeer ist das 
Ziel seiner Politik. Darum muß die Türkei unberührt stark und sicher er- 
halten werden. Wir sind geneigt, der Türkei auch ferner unsere wirksame 
Unterstützung zu gewähren: wir wollen außerdem in der Türkei wie anderswo 
tätigen Anteil an dem friedlichen wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen den 
Nationen nehmen, um überall unsere Waren, unsere Sprache und das An- 
sehen des italienischen Namens zu verbreiten, indem wir fremdes Recht 
achten und Achtung für das unserige verlangen. Barzilai meinte, infolge 
unserer Politik seien unsere Beziehungen zu den außerhalb des Dreibunds 
stehenden Großmächten und den Balkanstaaten schlechter geworden. Ich
	        
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