Das Betsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 5. 6.) 51
sind. Heute schreiben wir wieder die Jahreszahl 13. Wie glücklich hat
sich das Zeitbild gewendet! Vor uns steht der festgefügte Bau des Deutschen
Reiches, geachtet im Rate der Völker und wohlgerüstet gegen jeglichen An-
griff. An die Stelle der kriegerischen Taten sind segensreiche Friedens-
werke getreten. Handel und Wandel blühen. Kunst, Wissenschaft und
Technik schreiten fort. Stadt und Land erfrenen sich des Wohlstandes.
Aber die Ereignisse vor hundert Jahren mahnen uns eindringlich daran,
daß nicht kriegerische Lorbeeren, nicht Wohlstand, Macht und Ansehen am
letzten Ende das Schicksal und die Zukunft eines Volkes sichern, sondern
allein die sittliche Kraft, die ihm innewohnt. Ohne sie hätte unser
Volk vor hundert Jahren die schwere Prüfung nicht bestehen können. Die
Burzeln dieser Kraft ruhten in der Gottesfurcht, der Pflichttreue und der
Liebe zu König und Vaterland. Das gemeinsame Unglück hatte um Fürst
und Volk ein starkes Band opferwilliger Treue und gegenseitigen Vertrauens
geschmiedet. Gerade die Bewohner Ostpreußens hatten in den vorangegangenen
Jahren tiefster Erniedrigung das große Leid des Königs und der Seinen
aus nächster Nähe mit angesehen. Das Herz der geliebten Königin war
durch den Schmerz über die Schmach des Vaterlandes gebrochen. Sie aber
lebt als guter Genius Preußens in ihrem Volke fort. Wir können den
heutigen Gedenklag nicht schöner begehen als durch das erneute Gelöbnis,
uns unserer Vergangenheit und unserer Väter allezeit würdig zu erweisen
und die uns als köstlichstes Erbe überkommenen idealen und religiösen
Gülter zu pflegen und zu mehren für den opferfreudigen Dienst am teuren
Baterlande. Das sei der heutige Beschluß Ihres Landtages. Dann wird
die Provinz Ostpreußen wie vor hundert Jahren auch in Zukunft ein Vor-
bild für ihre Schwestern im Lande sein und Männer der Tat stellen, wenn
— was Gott verhüten wolle — der König wieder einmal gezwungen würde,
zum Kampf für Ehre und Freiheit des Vaterlandes aufzurufen. — Hierauf
verneigte sich der Kaiser und setzte hinzu: Ich erkläre hiermit den Landtag
der Provinz Ostpreußen für eröffnet.
5. Februar. (Weißer Hirsch bei Dresden.) General-
major a. D. v. Frobel, Redakteur des „Militärwochenblatts“, ,
65 Jahre alt.
6. Februar. (Reichstag.) Fortsetzung der zweiten Beratung
des Reichshaushaltsetats. Bekämpfung der Säuglingesterblichkeit.
Erforschung und Bekämpfung der Tuberkulose.
Aog. Büchner (Sd.): In Groß-Otternsleben, dicht vor den Toren
Magdeburgs, einem Orte von 10000 Einwohnern, hat die Säuglings
fterblichkeit eine ungeheure Höhe erreicht. Die Zahl der Sterbefälle be-
trug im ganzen 284, darunter befanden sich 148 Kinder im ersten Lebens-
jahr: also das sind 53 Prozent der überhaupt Gestorbenen. Diese Sterbe-
falle haben sich in der Zeit vom 1. Jannar bis 27. September 1911 ereignet.
Die Zahl der Geburten war während derselben geit geringer als die der
Todesfälle, sie betrug im ganzen 262. Es starben demnach aufs 1000 Lebend
geborene 564 Kinder im ersten Lebensjahre. Hier ist der Beweis erbracht,
daß es in Deutschland Orte gibt, wo in der Tat ein Bevölkerungsrückgang
eingetreten ist. Im Königreich Sachsen ist die Sterblichleu der Säuglinge
zwei-, ja vierfach so groß als die von Holland, Schweden, Norwegen,
Australien und verschiedenen deutschen Gebieten: nicht bloß Sachsen, auch
gqanz Bayern, Stadt wie Land, hat außerordentlich hohe Zahlen für die
Säuglingssterblichleit aufzuweisen. Für das Bezirksamt RKelheim z. B. be-
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