„IN ORDNUNG MIT WOTAN“" 591
Bericht lesen, manchen Erlaß diktieren sollte. Herbert blieb bei meinem
Eintritt auf seinem Amtssessel sitzen. Ich sah ihm sofort die innere
Erregung an. Wenn Holstein erregt war, so pflegte er mit den hageren
Fingern seiner rechten Hand krampfhaft spreizende Bewegungen auszu-
führen. Bei Herbert trat die innere Aufregung darin zutage, daß er mit
finsteren Blicken die Stirnhaut auf und nieder schob. Neben ihm stand der
damalige Personaldezernent, der Geheimrat Humboert, der mich als jungen
Attache zwölf Jahre früher in die Geheimnisse des Kanzleidienstes ein-
geführt hatte. Er sah auf mich mit dem aus Furcht und Mitleid gemischten
Ausdruck, mit dem wohl ein milder Geistlicher den Vorbereitungen für die
Exekution eines Delinquenten beiwohnen mag. Die Entscheidung des
Reichskanzlers war ihm, wie mir, offenbar noch unbekannt. Herbert erhob
sich und schüttelte mir die Hand mit den Worten: ‚Mein Vater will den
Konsens für Sie bei Seiner Majestät dem Kaiser selbst erbitten. Sobald
dieser Konsens erteilt ist, will nach Ihrer Verheiratung die Kaiserin Ihre
Frau in besonderer Audienz empfangen.“ Mit inniger Freude und mit einer
Wärme, die fast undienstlich war, stürzte der Geheimrat Humbert auf mich
zu, um mir zu meiner bevorstehenden Vermählung recht von Herzen Glück
zu wünschen. Er ist mir, nachdem ich Minister geworden war, ein von mir
sehr geschätzter Mitarbeiter gewesen. Nach Hause gekommen, telegraphierte
ich an die Gräfin Marie: „In Ordnung mit Wotan.“
Am Abend wurde ich im Bismarckschen Hause zu Tisch geladen. Der
Fürst reichte mir mit gütigem Lächeln die Hand. „Sie haben Ihren Willen
durchgesetzt. Gut Glück!“ Zu seinem Sohn Bill sagte er nicht lange
nachher, wie dieser mir später erzählte: „Die Klugheit und Festigkeit, mit
der Bülow in dieser ganzen Sache manövriert hat, macht ihm Ehre.
Hoffentlich lähmt die Leidenschaft für seine in der Tat reizende Frau
diesem jungen Adler nicht die Flügel und den Flug.“ Ich habe Fürst
Bismarck gelegentlich äußern hören, er sei der Meinung, daß das Zölibat
für Diplomaten ähnlich wünschenswert sei, wie die katholische Kirche es
für ihre Geistlichen eingeführt hat. In der Praxis ist er für meine Frau bis
zu seinem Tode voll Güte gewesen.
Am 9. Januar fand unsere Hochzeit in Wien statt, erst nach katho-
lischem und dann nach evangelischem Ritus. Der Ehrendomherr Prälat
Ignaz Estl sagte nach vollzogener Trauung zu meiner Frau mit gütigem
Lächeln, indem er ihr die Hand auf den Kopf legte: „Diesmal ist aber jede
Annullation ausgeschlossen. Alle Formalitäten sind erfüllt. Diese Ehe ist
unauflöslich.$ Das war diese Ehe, nicht nur der Form nach, sondern vor
allem für unser Gefühl, vor Gott und Menschen. Bei der evangelischen
Trauung hielt Pfarrer Zimmermann eine von Herzen kommende Ansprache.
Bei dem kleinen Frühstück, das nach der Trauung im Hotel Meißl und
An Bismarcks
Tisch
Trauung
Bülows und
der Gräfin
Dönhoff