Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Vierter Band. Jugend- und Diplomatenjahre. (4)

„IN ORDNUNG MIT WOTAN“" 591 
Bericht lesen, manchen Erlaß diktieren sollte. Herbert blieb bei meinem 
Eintritt auf seinem Amtssessel sitzen. Ich sah ihm sofort die innere 
Erregung an. Wenn Holstein erregt war, so pflegte er mit den hageren 
Fingern seiner rechten Hand krampfhaft spreizende Bewegungen auszu- 
führen. Bei Herbert trat die innere Aufregung darin zutage, daß er mit 
finsteren Blicken die Stirnhaut auf und nieder schob. Neben ihm stand der 
damalige Personaldezernent, der Geheimrat Humboert, der mich als jungen 
Attache zwölf Jahre früher in die Geheimnisse des Kanzleidienstes ein- 
geführt hatte. Er sah auf mich mit dem aus Furcht und Mitleid gemischten 
Ausdruck, mit dem wohl ein milder Geistlicher den Vorbereitungen für die 
Exekution eines Delinquenten beiwohnen mag. Die Entscheidung des 
Reichskanzlers war ihm, wie mir, offenbar noch unbekannt. Herbert erhob 
sich und schüttelte mir die Hand mit den Worten: ‚Mein Vater will den 
Konsens für Sie bei Seiner Majestät dem Kaiser selbst erbitten. Sobald 
dieser Konsens erteilt ist, will nach Ihrer Verheiratung die Kaiserin Ihre 
Frau in besonderer Audienz empfangen.“ Mit inniger Freude und mit einer 
Wärme, die fast undienstlich war, stürzte der Geheimrat Humbert auf mich 
zu, um mir zu meiner bevorstehenden Vermählung recht von Herzen Glück 
zu wünschen. Er ist mir, nachdem ich Minister geworden war, ein von mir 
sehr geschätzter Mitarbeiter gewesen. Nach Hause gekommen, telegraphierte 
ich an die Gräfin Marie: „In Ordnung mit Wotan.“ 
Am Abend wurde ich im Bismarckschen Hause zu Tisch geladen. Der 
Fürst reichte mir mit gütigem Lächeln die Hand. „Sie haben Ihren Willen 
durchgesetzt. Gut Glück!“ Zu seinem Sohn Bill sagte er nicht lange 
nachher, wie dieser mir später erzählte: „Die Klugheit und Festigkeit, mit 
der Bülow in dieser ganzen Sache manövriert hat, macht ihm Ehre. 
Hoffentlich lähmt die Leidenschaft für seine in der Tat reizende Frau 
diesem jungen Adler nicht die Flügel und den Flug.“ Ich habe Fürst 
Bismarck gelegentlich äußern hören, er sei der Meinung, daß das Zölibat 
für Diplomaten ähnlich wünschenswert sei, wie die katholische Kirche es 
für ihre Geistlichen eingeführt hat. In der Praxis ist er für meine Frau bis 
zu seinem Tode voll Güte gewesen. 
Am 9. Januar fand unsere Hochzeit in Wien statt, erst nach katho- 
lischem und dann nach evangelischem Ritus. Der Ehrendomherr Prälat 
Ignaz Estl sagte nach vollzogener Trauung zu meiner Frau mit gütigem 
Lächeln, indem er ihr die Hand auf den Kopf legte: „Diesmal ist aber jede 
Annullation ausgeschlossen. Alle Formalitäten sind erfüllt. Diese Ehe ist 
unauflöslich.$ Das war diese Ehe, nicht nur der Form nach, sondern vor 
allem für unser Gefühl, vor Gott und Menschen. Bei der evangelischen 
Trauung hielt Pfarrer Zimmermann eine von Herzen kommende Ansprache. 
Bei dem kleinen Frühstück, das nach der Trauung im Hotel Meißl und 
An Bismarcks 
Tisch 
Trauung 
Bülows und 
der Gräfin 
Dönhoff
	        
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