Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

52 Beutsches Keich. (Januar 26.) 
Ehrenstrafen stehen; 2. die während der Strafverbüßung, sofern diese bereits 
begonnen hat, oder während einer vorausgegangenen Untersuchungshaft sich 
schlecht geführt haben. Ist auf Geldstrafe neben Freiheitsstrafe erkannt, so 
ist die Geldstrafe nur dann erlassen, wenn die Freiheitsstrafe unter diesen 
Erlaß fällt. Gleichzeitig bestimme ich, daß bei Vorschlägen auf Rückversetzung 
in die erste Klasse des Soldatenstandes von Einhaltung der vorgeschriebenen 
Fristen und Termine während des Krieges abgesehen werden kann. — Ich 
beauftrage Sie, für die schleunige Bekanntmachung und Ausführung dieses 
Erlasses Sorge zu tragen. 
Großes Hauptquartier, 27. Januar 1915. (Gez.) Wilhelm. 
Ich will in Gnaden genehmigen, daß die gerichtlich noch nicht ein- 
geleiteten Untersuchungen gegen Teilnehmer an dem gegenwär- 
tigen Kriege niedergeschlagen werden, soweit sie vor dem heutigen 
Tage und vor der Einberufung zu der Fahne begangene 1. Uebertretungen 
oder 2. Vergehen mit Ausnahme derjenigen des Verrats militärischer Ge- 
heimnisse oder 3. Verbrechen im Sinne der §8 243, 244, 264 des Reichs- 
Strafgesetzbuches, bei denen der Täter zur Zeit der Tat das 21. Lebensjahr 
noch nicht vollendet hatte, zum Gegenstand haben. Soweit in anderen Fällen 
die Niederschlagung der Untersuchung angezeigt erscheint, erwarte ich Einzel- 
vorschläge. Ausgeschlossen von den Gnadenerweisen sind Personen des Sol- 
datenstandes, gegen die wegen begangener Straftaten durch militärgericht- 
liches Urteil auf Entfernung aus dem Heer oder der Marine oder auf Dienst- 
entlassung erkannt ist oder wird, sowie andere Personen, die mit Rücksicht 
auf eine Straftat ihre Eigenschaft als Kriegsteilnehmer verloren haben oder 
verlieren werden. Die Minister der Justiz und des Krieges haben die zur 
Ausführung dieses Erlasses erforderlichen Anordnungen zu treffen. Wegen 
Niederschlagung bereits gerichtlich eingeleiteter Untersuchungen gegen Teil- 
nehmer an dem gegenwärtigen Kriege will ich der Vorlegung eines Gesetz- 
entwurfs entgegensehen. 
Großes Hauptquartier, den 27. Januar 1915. (Gez.) Wilhelm. 
(Es folgen die Unterschriften der Staatsminister.) 
Entsprechende Gnadenerlasse wurden vom König von Bayern 
und von Sachsen sowie vom Großherzog von Baden verkündet. 
26. Jan. (Berlin.) Eine Kriegstagung der deutschen 
Baugenossenschaftsverbände findet unter dem Vorsitz von Prof. 
Dr. H. Albrecht im Beisein von Vertretern der Zentralbehörden 
des Reiches, Preußens, Bayerns und Badens sowie der Landes- 
versicherungsanstalten und der Reichsversicherungsanstalt für An- 
gestellte in Berlin statt. 
Man erörtert zunächst die Frage der Einwirkung des Krieges auf die 
wirtschaftliche Lage der Baugenossenschaften, über die Direktor Radtke 
(Berlin) berichtet. Auf Grund eingehender Erhebungen in den einzelnen 
Verbänden kann festgestellt werden, daß die Baugenossenschaften die wirtschaft- 
lichen Folgen des Krieges bislang ohne wesentliche Schädigungen überstanden. 
haben. Bei einer Reihe von Baugenossenschaften sind allerdings Mietverluste 
entstanden. Die Konferenz spricht die Erwartung aus, daß die Gläubiger in 
den Fällen, in denen infolge dieser Verluste Zahlungsschwierigkeiten entstehen, 
Stundung oder zeitweilige Aussetzung der Tilgung zugestehen möchten. Es 
wird alsdann im Anschluß an einen Vortrag von Dr. Altenrath (Charlotten- 
burg) der Wunsch ausgesprochen, daß Reich, Staat und Landesversicherungs-
	        
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