76 VBetsches Reich. (Februar 9.)
genialen Kreditorganisationen und wirtschaftlichen Maßnahmen des Staates
und allseitiger guter Wille sowie nicht zuletzt die glänzenden Waffentaten
des Heeres und der Flotte haben viel dazu beigetragen. Die Staatsregierung
hat durch große Staatsaufträge Arbeitsgelegenheit der verschiedensten
Art geschaffen und Handel und Wandel belebt. Nur wo Arbeitskräfte
mangelten, wurde von der Ausführung der geplanten Bauten abgesehen;
dagegen wurden verschiedene Neuunternehmungen begonnen. Auch der
Krieg selber erwies sich als eine starke Quelle neuer Arbeitsgelegen-
heit. Ueberall im Lande ist die Arbeitslosigkeit von Tag zu Tag zurück-
gegangen. Die Landwirtschaft setzte ihre Ernte zu guten Preisen ab, so
daß der Krieg in wirtschaftlicher Hinsicht uns noch keine zu großen Wunden
geschlagen hat. Unsere Volkswirtschaft ist durchaus imstande, den gegen-
wärtigen Zustand noch lange zu ertragen. Alles Geld bleibt im Lande.
Die Rückwirkung des Krieges auf den Staatshaushalt wurde glücklicher-
weise überschätzt, ist jedoch nicht unbeträchtlich. Die Leistung der Eisen-
bahnen bei dem Aufmarsch unserer Armee sowie später für die Versorgung
und Truppenverschiebung ist so über jedes Lob erhaben, daß sie für immer
ein Ruhmesblatt unserer Eisenbahnverwaltung sein wird. Vom Minister
bis zum letzten Beamten und Arbeiter war jeder seiner Aufgabe gewachsen.
Das Abgeordnetenhaus wird sicherlich mit Stolz auf diese Ruhmesepoche
der Eisenbahner blicken. Der Einnahmeausfall scheint nicht einmal so groß
zu werden, wie es nach dem Ausbruch des Krieges den Anschein hatte.
Der Güterverkehr beträgt bereits wieder 95 Prozent der vorjährigen Ein-
nahme, und auch der Personenverkehr ist im Aufblühen begriffen. Wir
haben daher die Aussicht, daß die Mindererträgnisse der Eisenbahnen sich
in erträglicher Höhe halten werden. Augenblicklich ist es noch ungewiß, ob
unser Ausgleichsfonds von 333 Millionen von den Mindererträgen auf-
gezehrt oder überstiegen wird. Jedenfalls hat seine Ansammlung sich glänzend
bewährt. Die direkten Steuern sind nicht unwesentlich zurückgegangen.
Die Einnahmen befanden sich bisher in ständigem erfreulichen Aufsteigen.
Die letzte Veranlagung unter Vergünstigung des Generalpardons ergab ein
noch höheres Steuersoll, als der Voranschlag vorgesehen hatte. Diese Aus-
sichten vereitelte der Krieg; denn abgesehen von Ermäßigungen und Aus-
fällen, namentlich in den vom Krieg betroffenen Landesteilen, kommt in
Betracht, daß das Militäreinkommen der Kriegsteilnehmer unversteuert bleibt,
und daß bei den dem Beurlaubtenstande Angehörenden mit einem Ein-
kommen bis zu 3000 Mark die Einkommensteuer nicht erhoben wird. Aehn-
lich liegen die Verhältnisse bei der Bergverwaltung. Die Förderung ist
zurückgegangen, ein großer Teil der Arbeiter einberufen, die Militär-
transporte waren dem Absatz hinderlich. Da ferner die volle Klassenlotterie
weggefallen ist, ist für 1914 ein Fehlbetrag unvermeidlich; er wird aber
voraussichtlich nicht über die Fehlbeträge hinausgehen, die wir sonst in
wirtschaftlich weniger günstigen Jahren hatten, gewiß ein glänzendes Zeugnis
für die wirtschaftliche Lage und für die Gesundheit der preußischen Staats-
finanzen. Die Aufstellung des Haushaltsplanes für das kommende Jahr war
ganz besonders schwierig. Es bleibt nichts anderes übrig, als von dem
Kriege überhaupt abzusehen und den Haushaltsplan unter der Fiktion
aufzustellen, als ob bei Beginn des Wirtschaftsjahres 1915 der Friede
wieder eingezogen sei. Sowohl in der Einnahme wie in der Ausgabe
können wir auf dieser Grundlage uns an den vorherigen Anschlag anlehnen
und seine Sätze übernehmen, soweit nicht schon jetzt feststeht, daß sie andere
sein werden. Dem Ernst der Zeit können wir dabei in ausgiebiger Weise
Rechnung tragen. Alle bekannten Mindereinnahmen und Mehrausgaben
sind berücksichtigt, und der Etat ist durch starke Abstriche bei anderen Aus-