Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

676 Die öserreichischungarische Monarchie. (August 23.— September 2.) 
Soldaten! Seit mehr als einem Jahre schon steht die österreichisch- 
ungarische Wehrmacht zu Lande, zur See im größten Ringen gegen 
eine Welt von Feinden. Auf ungezählten Schlachtfeldern haben Armee 
und Flotte in unerschütterlichem Heldenmut gekämpft und neuen un- 
vergänglichen Ruhm für Oesterreich-Ungarns Fahnen und Flaggen er- 
stritten, in hartem Kampf erprobt und siegreich. In fester Zuversicht auf 
den endgültigen Sieg unserer gerechten heiligen Sache begehen wir heute 
schon zum zweiten Male das Geburtsfest Seiner Majestät unseres Aller- 
gnädigsten Kaisers und Königs im Felde. Nicht wie sonst in Friedens zeit 
können wir diesen höchsten Feiertag jedes Soldaten alle festlich begeben. 
Die Waffen in der Faust steht die Mehrzahl von euch Auge in Auge dem 
Feinde gegenüber. Doch wo immer uns auch dieser Festtag finden moge. 
im heißen Kampfe auf blutiger Walstatt, auf dem Marsche oder im Lager, 
zu Lande oder zur See: allüberall gedenken wir heute in Ehrfurcht der er- 
habenen Person unseres Allergnädigsten Kriegsherrn. Wie in unserem 
ganzen schönen Vaterlande, so steigen auch in euren Reihen, hart am Feinde. 
heute die heißesten Gebete empor zu Gott, der unsere Waffen segnet, für 
das Wohl unseres geliebten Kaisers und Königs. Unsere innigsten Segens- 
wünsche zu diesem festlichen Tage verbinden wir mit dem neuerlichen Ge- 
löbnis: Was auch immer kommen möge, mannhaft und treu ausharren im 
Kampfe, bis es uns mit Gottes Hilfe vergönnt ist, den endgültigen Sieg 
zu erringen und frischen Lorbeer zu winden um das ehrwürdige Haurt 
unseres geliebten Kaisers und Königs, den der Allmächtige schütvzen und 
erhalten möge zum Heil des Vaterlandes und zum Wohle seiner Wehrmacht: 
Gez.: Feldmarschall Erzherzog Friedrich. 
23. Aug. (Wien.) Verurteilung einer Anzahl galizischer Mit- 
glieder derrussischen Nationalpartei wegen Hochverrats und Verbrechens 
gegen die Kriegsmacht des Staates zum Tode durch den Strang. 
Die Verurteilten sind der Reichsratsabgeordnete Dimitri Markow, der 
Oberlandesgerichtsrat Dr. Wladimir Kurylowicz, der Advokat Dr. Cyrin 
Czerlunczekiewicz aus Przemysl. Dr. Johann von Drohomilecki aus Zloczow, 
ferner ein Grundbesitzer und ein Schlossermeister, endlich der Vertreter der 
„Nowoje Wremia“, Dimitri von Jantschewerki. 
31. Aug. Die gesetzliche Stundung in allen Ländern, aus- 
genommen Galizien und die Bukowina,. ist beendet. 
Für Zahlungen nach dem Ausland wurde das Moratorium auf weitere 
vier Monate verlängert. 
2. Sept. Der Kaiser empfängt in der großen Galerie des Schön- 
brunner Schlosses eine ungarisch-kroatische Huldigungs- 
deputation. 
In seiner Ansprache erklärt der Führer der Deputation Graf Tisza 
u. a.: Gestatten Ew. Majestät, daß wir unseren dankbaren Blick auf jenen 
Wohltäter richten, dessen väterliches Herz uns verstanden hat, und der dem 
ungarischen Staat, der seine Integrität und seine tausendjährige Freiheit 
wiedergewonnen hat, einen würdigen Platz in dieser Monarchie sicherte. 
Jetzt erst können wie erkennen, was aus uns geworden wäre, wenn der 
Sturm der Weltereignisse die Monarchie betroffen hätte, ehe sie den inneren 
Veriüngungs prozeß durchmachte. Wir sind stark gewesen, weil wir einig 
sind. Im Schoße der ungarischen Nation ist jeder Parteien zwist verstummt. 
Alle Unterschiede von Klassen, Konfessionen und Nationalitäten haben auf-
	        
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