Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

Bie öKerreichisch- unariscze Arnee. „Oktober 15.—21.) 683 
15. Okt. (Wien.) Gelegentlich einer Kundgebung der Wiener 
Bevölkerung vor der bulgarischen Gesandtschaft hielt der bulgarische 
Gesandte folgende Ansprache: 
Ich danke euch allen für diese glänzende, machtvolle Kundgebung, 
sowie für die warme, gefühlvolle Begrüßung und die Glückwünsche. Die 
Sympathien, die die Monarchie und deren Haupt-- und Residenzstadt Wien, 
diese blühende Stätte höchster Kultur, seit jeher meinem Vaterlande be- 
wiesen haben, erfüllten immer unsere Herzen mit dem Gefühle wärmster 
Dankbarkeit. Heute, wo Bulgarien auf dem Wege ist, mit Hilfe seiner 
wahren und mächtigen Freunde, kraft seines unbestreitbaren, anerkannten 
Rechtes die Vereinigung aller Bulgaren zu verwirklichen, bekommen diese 
Sympathien einen noch größeren Wert für uns. Es lebe Kaiser Franz 
Joseph, es leben seine Völker und seine glorreiche Armee! 
15. Okt. Zur Verbesserung des Loses der österreichisch-unga- 
rischen Kriegsgefangenen in Rußland ist die Regierung mit dem 
amerikanischen und mit dem schwedischen Roten Kreuz in Verbin- 
dung getreten, die sich bereit erklärten, durch ihre Vertreter die 
russischen Gefangenenlager zu besuchen und außer Liebesgaben auch 
Decken, Stiefel 2c. und Geldbeiträge zu verteilen, wofür die öster- 
reichisch-ungarische Regierung beträchtliche Geldmittel zur Ver- 
fügung gestellt hat. 
20. Okt. Der Gesandte in Athen protestiert im Auftrage der 
Regierung dagegen, daß es den Alliierten gestattet werde, Truppen 
in Salonifi zu landen, ferner gegen die Besetzung der Eisenbahn- 
linie Saloniki— Monastir und Saloniki— Uesküb durch die griechi- 
sche Verwaltung, sowie gegen die Entlassung des österreichisch-unga- 
rischen Betriebspersonals. 
21. Okt. Das „Wiener Fremdenblatt“ schreibt über angebliche 
Zwistigkeiten zwischen Österreich und dem Deutschen Reich: 
Seit dem Beginn des Krieges sind in den uns feindlichen Staaten 
immer wieder Versuche gemacht worden, durch Zeitungsartikel, offene Briefe 
und auf jede mögliche andere Weise Eifersucht und Zwietracht zwischen 
Oesterreich-Ungarn und dem Deutschen Reiche zu säen. Die Personen, 
die sich damit befassen, ahnen offenbar nicht, wie solche Bemühungen hier 
aufgenommen werden. Sie ahnen nicht, daß sie nur den Erfolg haben, 
immer neue Beweise dafür zu liefern, wie unbekannt unsere Zustände und 
Stimmungen den Politikern Frankreichs, Englands, Rußlands und Italiens 
sind, und den weiteren Erfolg, die öffentliche Meinung in diesen Ländern 
in einer für sie selbst schädlichen Richtung in die Irre zu führen. Von 
den Selbsttäuschungen der ersten Kriegsmonate ist man dort allerdings 
schon zurückgekommen. Es glaubt drüben niemand mehr, daß die Sachsen 
und Bayern nur darauf warten, sich gegen Preußen zu erheben und sich 
durch die Ententemächte befreien zu lassen, oder daß unsere Slawen den 
Zusammenbruch der Monarchie anstreben, der unausweichlich sei. Kaum 
gibt sich noch jemand dem Wahn hin, daß es gelingen könne, Ungarn zum 
Abfall zu bewegen, dieses selbe Ungarn, über dessen Teilung schon diplo-
	        
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