Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

692 Die äfterreichisqh · nngarische Monarthie. (Dezember 4.) 
wendig, daß dem Begehren Rechnung getragen werde, nicht durch münd- 
liche Zusagen, sondern auch durch Handlungen, d. h. durch eine Evakuierung 
der Gegend von Saloniki durch die griechischen Truppen, welche zurück- 
zuziehen wären, um auf diese Weise die Freiheit unserer Bewegungen und 
unserer Verteidigung nicht stören zu können. 
II. Aus einem Briefe eines Beamten des englischen Dienstes, datiert 
Saloniki vom 25./11. 1915. 
Es entspricht dem sentimentalen Wesen der Engländer, von Bulgarien 
zu sprechen, als wäre es Serbien in den Rücken gefallen. Es ist nun Tat- 
sache, daß die bulgarische Mobilisation dadurch notwendig wurde, daß drei 
serbische Divisionen an der bulgarischen Grenze konzentriert wurden. Wir 
alle haben Serbien nachdrücklichst wiederholt gesagt, was geschehen würde, 
wenn es nicht nachgibt, und jetzt sehen wir einfach das, was wir (in Sofia 
vorausgesagt hatten. Ich habe infolgedessen sehr wenig Mitgefühl für Serbien, 
mehr hingegen für Bulgarien, welches noch einmal sein Blut vergießen 
mußte, um zu erhalten, was es bereits in dem blutigen Kriege von 1912 
gewonnen hatte. Wie dem auch sei, dieses Mitgefühl müssen wir bis auf 
weiteres in die Tasche stecken. Die Politik der Alliierten wird durch den 
Erfolg gerechtfertigt werden. Wenn wir siegen und die Bulgaren aus 
Mazedonien vertreiben, so wird die Macht gesiegt haben, aber gewiß nicht 
das Recht. Wir haben Bulgarien nicht neutral erhalten. Wir hätten dies 
durch eine starke Aktion in Nisch erreichen können, und, um diese Neutralität 
zu erhalten, hätten wir einen großen Preis zahlen können. Wie die Sachen 
jetzt stehen, scheinen wir einen Balkanstaat nach dem anderen ins Verderben 
zu stürzen. Du scheinst zu glauben, daß Griechenland auf unsere Seite 
treten wird. Ich bezweifle dies sehr und wäre nicht überrascht, wenn 
das Gegenteil eintreten würde. Wenn ich einmal in ferner Zukunft nach 
Hause komme, werde ich Dir alles dies auseinandersetzen. Wenn Du die 
Art der Menschen kennen würdest, welche als Zeitungskorrespondenten fun- 
gieren, und wenn du wüßtest, wie ungeheuer ihre Ignoranz ist, so könntest 
Du den Zeitungen kein Vertrauen schenken. 
III. Aus einem Briefe Mr. W. Y. G's., Sekretärs der englischen Ge- 
sandtschaft in Athen, d. d. Athen, 28. 11. 1915: 
Meiner Ansicht nach wäre es am besten, den König von seinem Thron 
zu verjagen und Venizelos zum Präsidenten der hellenischen Republik aus- 
zurufen. Aber jedermann scheint vor derart drastischen Maßregeln zurück- 
zuschrecken. Unglücklicherweise ist der König in dem größten Teile der Armee 
sehr populär. 
IV. Aus einem Briefe des Mr. K., Mitgliedes der englischen Marine- 
mission Athen, d. d. Athen, 2./12. 1915: 
Ich bin überzeugt, daß die Leute und der König selbst die begangenen 
Fehler jetzt einsehen. Aber der König ist ein so stütziges Geschöpf (obstinate 
beast), daß er halsstarrig bleibt. Meine Ueberzeugung geht dahin, daß nach 
diesem Kriege nichts derartiges wie Könige bestehen bleiben sollte, sie haben 
Krieg und Elend verursacht und nur sie allein. 
V. Aus einem Briefe Mr. W. E., Sekretärs der englischen Gesandt- 
schaft in Athen, d. d. Athen, 2./12. 1915: 
Ich hoffe, man wird zu Hause bald entscheiden, ob man die Saloniki- 
exvedition fortsetzen soll oder nicht, und daß man sich für ersteres entscheiden 
wird. Die Griechen setzen alles daran, uns zur Aufgabe der Expedition zu 
überreden. Meiner Ansicht nach ist es aber sehr wichtig, daß wir uns fest- 
setzen und Saloniki während des Winters verteidigen, sogar wenn man an 
keine große Expedition denkt. Dies würde die feindlichen Kräfte binden und 
verhindern, daß dieselben zurückgezogen und auf anderen Kriegsschauplätzen
	        
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