Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

Die ästerreichischungariseze Monarchie. (Dezember 8. 9.) 697 
rische Reichstag würde noch genug Gelegenheit haben, sich mit dieser Frage 
zu beschäftigen. 
8. Dez. Erklärungen des österreichischen Handelsministers Dr. 
v. Spitzmiller über den Ausgleich mit Ungarn und über das Ver- 
hältnis zum Deutschen Reiche. 
Beim Empfange seines Beamtenstabes äußerte Dr. v. Spitzmiller über 
den Ausgleich mit Ungarn, er glaube sich der Hoffnung hingeben zu dürfen, 
daß der Gedanke der Gemeinsamkeit, wie er in den Ausgleichsgesetzen des 
Jahres 1870 niedergelegt ist, durch den Krieg eine Stärkung erfahren und 
daß sich daraus eine Festigung der wirtschaftlichen Bande beider Staaten 
der Monarchie ergeben werde. Eine weitere sehr große Aufgabe betreffe 
das Verhältnis zum Deutschen Reiche. Auf diesem Gebiete hätten schon 
wiederholt öffentliche Erörterungen stattgesunden, das Problem sei aber zu 
heikel und zu verwickelt, um es heute schon programmatisch behandeln zu 
können. So viel glaube er jedoch sagen zu dürfen, daß die Neuordnung 
der zoll= und handelspolitischen Beziehungen der Monarchie zum Deutschen 
Reich im Sinne der Herbeiführung einer innigen wirtschaftlichen Annäherung 
eine der wichtigsten, größten und schwerwiegendsten Aufgaben sei, die die 
Regierungen der Monarchie in der nächsten Zeit beschäftigen werden. 
9. Dez. (Ungarisches Abgeordnetenhaus.) Graf Apponyi 
(oppositionell) beantragt mit Rücksicht darauf, daß der Heldenmut, 
den die Honvedarmee in diesem Krieg bewiesen, zu den größten 
moralischen Schätzen der ungarischen Nation gehört, und mit Rück- 
sicht darauf, daß diese Tapferkeit für das politische Gewicht des 
Landes schwer in die Wagschale fällt, die Regierung aufzufordern, 
die Waffentaten der Wehrmacht Ungarns amtlich festzustellen und 
darüber dem Parlament Bericht zu erstatten. Nachdem der Minister- 
präsident sich mit dem Antrag einverstanden erklärt hat, wird er 
einstimmig angenommen. 
9. Dez. (Ungarisches Abgeordnetenhaus.) Die Verwal- 
tung der durch die Armee besetzten feindlichen Gebiete. 
Ueber diese Frage äußerte sich in Beantwortung einer Interpellation 
des Abg. Moritz Esterhazy (oppos.) Graf Tisza, daß während der Kriegs- 
handlungen die Verwaltung den Kommandos der kämpfenden Armee ob- 
liege. Insofern aber größeres zusammenhängendes feindliches Gebiet in den 
Besitz unserer Armee gelangt, wird auf diesem Gebiete eine militärische 
Verwaltung aufgestellt, der ein entsprechendes Personal von Zivilbeamten 
zugeteilt wird. Diese Verwaltung ist dem Armeeoberkommando unterstellt. 
Eine solche Verwaltung ist bloß in den von unseren Truppen in Russisch- 
Polen besetzten Gebieten eingerichtet. In Serbien verfügen heute noch 
Etappenkommandos, jedoch wird eine Verwaltung, wie sie hier dargestellt 
wird, ehestens eingerichtet werden. Die ungarische Regierung stellte sich 
auf den Standpunkt, daß es schon wegen der Sprachenfrage zweckmäßig 
sei, wenn auf russisch-polnischem Gebiet in erster Reihe österreichisches Ver- 
waltungspersonal verwendet wird. Hingegen kommt bei Errichtung der 
Verwaltung in dem besetzten serbischen Gebiet ungarisches Verwaltungs- 
personal in Betracht. Ohne mich irgendwie in den Wirkungskreis der 
Armeeoberkommandanten einzumischen, halte ich es schon heute für meine
	        
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