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20. Dez. (Ungarn.) Der Ministerpräsident Graf Tisza führt
im Magnatenhause bei der Beratung des Budgetprovisoriums über
Krieg und Frieden aus:
Die Regierung, die das Schicksal zu der hohen, aber schweren Auf-
gabe berufen hat, die Angelegenheiten der ungarischen Nation in dem
gegenwärtigen großen Augenblicke zu vertreten, ist sich vollkommen bewußt,
daß die gesamte Nation, ohne Unterschied der Konsession, der Nationalität
und der Partei so hehre Zeugnisse der Vaterlandsliebe und Opferwilligkeit
und solche Beweise der Lebenskraft gegeben hat, daß den Personen, die jetzt
für das Schicksal der ungarischen Nation verantwortlich sind, lediglich die
Pflicht übrig bleibt, die diesen Kundgebungen der Nation innewohnende
Lebenskraft zum Wohle der Nation zu verwerten. Hohes Haus! Diesen
Krieg haben nicht wir hervorgerufen. Nicht wir waren es, die gegen in
Frieden lebende Nationen, Staaten oder Reiche einen Angriff richteten.
Nicht wir waren es, die lebende Stücke aus dem Körper friedfertiger Nach-
barn mit räuberischer Hand herausreißen wollten. Aber wenn der Krieg
nun einmal heraufbeschworen wurde, werden wir ihn bis zum Ende durch-
kämpfen mit jener Entschlossenheit, die den Sieg an unsere Fahnen geheftet
hat. Und wenn man fragt, wie lange dieser Krieg dauert, kann ich nur
erwidern, daß die Antwort jene zu erteilen haben, die ihn heraufbeschworen.
Diesen Krieg werden wir zu Ende kämpfen, bis ihre gegen unsere Sicher-
heit, Unabhängigkeit und nationale Größe gerichteten Angriffe aufhören.
Wir werden diesen Krieg fortführen, bis unsere Feinde einsehen, daß jede
weitere Fortsetzung desselben der Menschheit nur überflüssige und zwecklose
Leiden verursacht, ohne unsere Feinde auch nur um Haaresbreite ihren
Zielen näher zu bringen. Die Ereignisse, die auf den Kriegsschauplätzen
seit nunmehr anderthalb Jahren sich abgespielt haben, brachten die Situation
zur Reife. Heute können bereits unsere Feinde damit im reinen sein, daß
sie das Ziel ihres Angriffes nicht erreichen können, und auch darüber im
klaren sein, daß unser Sieg die Bürgschaften unserer Sicherheit schaffen
wird, aber keineswegs Angriffe gegen die Existenz der übrigen Großmächte
Europas in sich schließt, wie ihr Sieg sie gegen unsere Existenz in sich ge-
schlossen hätte. Heute ist jede weitere Fortsetzung des Krieges von ihrer
Seite ein ganz zweckloses Blutvergießen, eine ganz zwecklose Kraftvergeu-
dung. Wenn die Fortsetzung des Krieges leider auch von uns den Verlust
wertvollen Blutes erheischt, ist es doch zweifellos, daß diese Fortsetzung
viel größere Opfer dem verlierenden Teile auferlegt, der wenigstens teil-
weise auch die Verluste des siegenden Teiles zu tragen haben wird. Heute
wird jeder Tropfen Blutes, der in diesem schrecklichen Ringen der Nationen
noch vergossen wird, vergeblich vergossen und schreit zum Himmel. Die
Verantwortung haben jene zu tragen, die diesen für die ganze Welt so
schrecklichen Krieg aus egoistischen Absichten und durch heuchlerische Schlag-
worte verdeckten Eroberungsgelüsten heraufbeschworen haben und ihn nicht
einstellen wollen.
21. Dez. Eine neue Note Amerikas in der Ancona-Angelegen-
heit wird vom Botschafter Penfield überreicht.
Siehe den Wortlaut im Anhang zu Vereinigte Staaten.
22. Dez. In der Wiener Generalversammlung des mittel-
europäischen Wirtschaftsvereins in Österreich erstattet der
Vereinspräsident Ernst Freiherr v. Plener den Tätigkeitsbericht.