Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

122 Die ästerreihhisqh · nugarische Monarthit. (Dezember 29. 31.) 
Die deutschen Hochschullehrer Oesterreichs waren bei der Erwägung 
der Neugestaltung der Verhältnisse nach Friedensschluß allgemein davon 
überzeugt, daß die Neuordnung auf jene Krafte zu stützen sei, die unser 
Vaterland vor dem Untergang zu bewahren vermochten und unter welchen 
das innige und verständnisvolle Zusammenwirken Oesterreich-Ungarns und 
des Deutschen Reiches als entscheidend und unersetzlich sich erwies. 
Zur Sicherung des Errungenen ist die Erhaltung und Ausgestaltung 
dieses Zusammenwirkens erforderlich und bei Wahrung der Selbständigkeit 
der beteiligten Staaten auch möglich. 
Die wirtschaftlichen Fragen können für die weitere Sicherung und Festi- 
gung der politischen und kulturellen Beziehungen die Grundlagen schaffen. 
29. Dez. Die Ancona-Angelegenheit wird durch eine entgegen- 
kommende zweite Antwortnote Osterreich-Ungarns beigelegt. 
Siehe den Wortlaut im Anhang zu Vereinigte Staaten. 
31. Dez. Zwischen Kaiser Franz Joseph und Kaiser Wilhelm 
findet aus Anlaß des Jahreswechsels ein Telegrammwechsel statt. 
Desgleichen findet ein Telegrammwechsel statt zwischen dem Ober- 
kommandanten Feldmarschall Erzherzog Friedrich und Kaiser 
Wilhelm. 
Feldmarschall Erzherzog Friedrich bringt folgenden Erlaß des 
Kaisers an die Armee zur Kenntnis: 
Die tiefgefühlten Neujahrswünsche der im Felde stehenden gesamten 
bewaffneten Macht, die Sie Mir soeben in beredten Worten ausgesprochen 
haben, haben Mich tief bewegt. Der Rückblick, den Sie auf das abgelaufene 
Kriegsjahr warfen, läßt mich mit stolzer Freude die Zuversicht ermessen, 
die Meine Wehrmacht im Bewußtsein all der Erfolge erfüllt, welche unsere 
und unserer treuen Verbündeten gegenwärtige Kriegslage kennzeichnen. 
Ist uns auch im Frühjahr mit Italien ein neuer Feind tückisch entgegen- 
getreten, so haben doch die tapferen Landesverteidiger von Tirol und Kärnten 
und meine heldenhafte Isonzoarmee all seinen Anstürmen Trotz geboten. 
Mit der Eroberung von Belgrad nach der glänzend ruhmvollen Uebersetzung 
der Donau und Save haben unsere und die deutschen Armeen ihre Fahnen 
weithin auf den Balkan getragen. Wohin Ich blicke, sehe Ich zu Lande 
wie zur See unerschütterlich und vom Drange nach vorwärts beseelt Meine 
Wehrmacht im Norden, wie im Süden kämpfen. Indem Ich für alle Ge- 
sühle und Gelöbnisse, die Sie mir ausdrückten, wärmstens danke, erflehe 
Ich den Himmelssegen für Meine Wehrmacht, des Vaterlandes ehernen 
Schild und scharfes Schwert. Franz Joseph m. p.
	        
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