Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Erste Hälfte. (56a)

40 Beutsches Reich. (Januar 26.) 
secure of the support of France, she will face all the risks of war“ 
wenn Rußland der Hilfe Frankreichs sicher ist, wird es alle 
isiken des Kriegs auf sich nehmen) (Blaubuch Nr. 17). Jetzt war 
es so weit: Dank der endlich erlangten Gewißheit, daß der Ein- 
tritt Frankreichs in den Krieg das Losschlagen Englands zur 
Folge haben werde, hatte Frankreich Rußland die Kriegshilfe 
zugesagt und dabei wohl auch erwähnt, daß auf die englische Mitwirkung 
gleichfalls gerechnet werden könne.5) 
Sir Edward Grey hat seiner Mitteilung an Paul Cambon über seine 
beabsichtigte Eröffnung an den Fürsten Lichnowsky einige Ausführungen 
hinzugefügt, die auf den ersten Blick eine Analogie zu dem Vorbehalt zu 
sein scheinen, den er bei der Mitteilung der Aufrechterhaltung des mobilen 
Zustandes der Flotte an den russischen Botschafter gemacht hat. Er hat 
nämlich darauf hingewiesen, daß die öffentliche Meinung in England die 
derzeitigen Schwierigkeiten doch mit anderen Augen ansehe als vor einigen 
Jahren die Marokkokrisis. Damals habe es ausgesehen, als ob Deutschland 
Frankreich zerschmettern wolle wegen einer Frage, die Gegenstand eines 
Spezialabkommens zwischen England und Frankreich war. Diesmal handle 
es sich in erster Linie um eine serbisch-österreichisch-ungarische, vielleicht 
auch um eine russisch-deutsche Frage, und England fühle keinen Beruf, sich 
einzumischen. Wenn auch Frankreich auf Grund seiner Bündnisverpflich- 
tungen hineingezogen werde, so habe England sich noch nicht schlüssig ge- 
macht, was zu tun sei; dies sei ein Fall, der zu überlegen wäre. England 
sei frei von Verpflichtungen und werde zu entscheiden haben, was die 
britischen Interessen verlangten. Er habe es für nötig gehalten, dies zu 
sagen, um Cambon nicht in den Irrtum zu versetzen, als ob hierüber ein 
Beschluß schon gefaßt sei. 
Wie Cambon diese Ausführungen auffaßt, ergibt sich aus seiner Ant- 
wort. Sir Edward Grey selbst drahtet hierüber an den britischen Botschafter 
in Paris (Blaubuch Nr. 87): 
„M. Cambon said that I had explained the situation very clearly. 
He understood it to be that in a Balkan quarrel, and in a struggle for 
supremacy between Teuton and Slav we should not feel called to inter- 
vene; should other issues be raise d, and Germany and France 
become involved. so that the question became one of the 
hegemony of Europe, we should then decide what it was 
necessary for us to do.“ (Herr Cambon sagte, ich habe die Lage sehr 
klar auseinandergesetzt. Er verstehe, daß wir keinen Beruf fühlten, in einem 
Balkanzwist oder in einem Kampf um die Vorherrschaft von Teutonen oder 
Slawen zu intervenieren; wenn aber andere Ausgangspunkte ent- 
stehen und Deutschland und Frankreich hineinverwickelt werden 
sollten, so daß der Fall zur Frage der Hegemonie über Europa 
werde, so würden wir zu entscheiden haben, was für uns zu 
tun nötig sei.) 
  
5) Ein in Deutschland nach Ausbruch des Krieges aufgefangener Be- 
richt des belgischen Geschäftsträgers in Petersburg, Herrn de l'Escaille, vom 
30. Juli enthält eine volle Bestätigung dieser Zusammenhänge. In diesem 
Bericht heißt es: „England hat zuerst zu verstehen gegeben, daß es sich 
nicht in einen Konflikt hineinziehen lassen wolle. Sir G. Buchanan sagte 
dies offen. Heute (also am 30. Juli) ist Petersburg fest überzeugt, ja es 
hat sogar Zusicherungen des Inhalts empfangen, daß England auf der 
Seite Frankreichs mitgehen wird. Diese Hilfe ist von entscheidender Wichtig- 
keit und hat wesentlich zum Triumph der Kriegspartei beigetragen."
	        
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