Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Grehbritaunien. (Juli 31.) 801 
Behörden gezwungen wurde, die Ladung zu löschen, die doch Eigentum 
amerikanischer Bürger ist. 
Die Beranlassung hierzu ist anscheinend die gewesen, daß das betreffende 
Gut zum Teil wenigstens aus Belgien stammte und infolgedessen unter die 
Bestimmungen des § 4 der Order in Council vom 11. März fällt. Dort 
ist gesagt, daß jedes Kauffahrteischiff, das von einem anderen Hafen als 
von einem deutschen mit Gut feindlichen Ursprungs kommt, gezwungen 
werden kann, dieses Gut in einem britischen oder einem Hafen eines Groß- 
britannien verbündeten Staates zu löschen. Die Regierung der Vereinigten 
Staaten betont nochmals sehr ernstlich ihre Haltung mit Rücksicht auf diese 
Order in Council, wie sie auseinandergesetzt worden ist in der Note, die 
ich Ihnen am 2. April 1915 zu überreichen die Ehre hatte, und sieht die 
internationale Ungültigkeit der Order als vollkommen erwiesen an, da im 
gegenwärtigen Fall amerikanisches Gut, das von einem neutralen Hafen 
(Rotterdam) nach einem neutralen Hafen der Vereinigten Staaten ging, be- 
schlagnahmt worden ist, lediglich deshalb, weil das Gut ursprünglich aus 
Gebiet stammt, das im Besitz eines Feindes von Großbritannien ist. 
Mit Rücksicht auf die eben auseinandergesetzte Ansicht meiner Regie- 
rung bin ich angewiesen, Sie zu benachrichtigen, daß die Beschlagnahme 
dieses Gutes an Bord des Dampfers „Neches“ von der Regierung der 
Vereinigten Staaten nicht als gesetzlich anerkannt werden kann, und daß 
sie der Ansicht ist, daß dieses Verhalten eine Verletzung der Rechte der 
Bürger eines neutralen Staates auf freien Handel mit denen eines anderen 
neutralen Staates und auch mit Kriegführenden ist, ausgenommen die Fälle 
der Konterbande oder des Blockadebruchs. Meine Regierung muß auf 
dem Rechte der amerikanischen Eigentümer bestehen, ihr Gut aus Holland 
unter neutralen Flaggen auszuführen, selbst dann, wenn solches Gut ur- 
sprünglich aus den Gebieten eines Landes stammt, das mit Großbritannien 
im Priege ist. 
Ich bin ferner angewiesen, das Verlangen meiner Regierung mit- 
zuteilen, daß die aus dem Dampfer „Neches“ gelöschte Ladung, 
die das Eigentum amerikanischer Bürger ist, sofort freigelassen wird, 
um an ihren Bestimmungsort weitergebracht zu werden. Ich bitte Sie, so 
freundlich zu sein, mich bei erster passender Gelegenheit über die Schritte 
der königlichen Regierung in diesem Falle zu benachrichtigen. 
Sir Edward Grey an Botschafter Page. 30. Juli. 
Die Note, die Ew. Exzellenz am 17. d. Mts. in Sachen der Beschlag- 
nahme von Ladung aus dem Dampfer „Neches“ an mich richteten, hat, wie 
ich wohl kaum zu sagen brauche, die sorgfältigste Aufmerksamkeit der 
Regierung Seiner Majestät gefunden. 
Schon in der Note, die ich am 23. d. Mts. an Eure Exzellenz zu 
senden die Ehre hatte, ist der Standpunkt der britischen Regierung hin- 
sichtlich der rechtlichen Lage des Falles bekanntgegeben, obgleich die Note 
schon vorbereitet war, bevor Eurer Exzellenz Mitteilung vom 17. d. Mts. 
eingegangen war. Da noch Erwägungen der Regierung der Vereinigten 
Staaten schweben über die Gesichtspunkte und Beweisgründe, die in der 
britischen Note vom 23. d. Mts. auseinandergesetzt sind, so ist es für mich 
unmöglich, noch etwas über die Rechtsfrage hier zu sagen. Nur eine Be- 
merkung allgemeiner Natur scheint mir wichtig hinsichtlich der Ladung des 
Dampfers „Neches“. 
Es ist die Praxis der deutschen Regierung, in den Gewässern, welche 
die „Neches“ durchfuhr, neutrale und britische Kauffahrteischiffe ohne Rück- 
sicht auf die Bestimmung des Fahrzeuges und ohne Rücksicht auf den Ur- 
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