Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Grehbritanuien. (September 6. 11.) 819 
die Regierung die Wehrpflicht einführen wollte, sei es Pflicht der Arbeiter, 
ihre organisierte Kraft und ihren Einfluß dagegen einzusetzen. 
Am 9. Sept. wird mit 600 gegen 7 Stimmen eine Resolution an- 
genommen, in der sich der Gewerkschaftskongreß verpflichtet, die Regierung 
so viel als möglich zu unterstützen, um den Rrieg mit Erfolg sortsetzen zu 
konnen, zugleich aber sich entschieden gegen die Einführung der Wehr- 
pflicht ausspricht. Die hinterhältigen Umtriebe der kleinen, nicht maß- 
gebenden Gruppe von Friedenseiferern werden verurteilt und alle Friedens- 
vorschläge zurückgewiesen, durch die nicht die Freiheit Belgiens, Nordfrank- 
reichs, Elsaß-Lothringens und Polens hergestellt wird. 
Die Resolution wird sofort an Asquith, Lloyd George und Kitchener 
telegraphisch mitgeteilt. 
Am 10. Sept. wohnt Munitionsminister Lloyd George den Ver- 
handlungen bei und hält eine Rede, um die Arbeiter zur Beschleunigung 
der Munitionserzeugung aufzufordern. Er erklärt, nicht nur 200000 un- 
gelernte Arbeiter und Frauen, sondern auch noch 80000 gelernte Arbeiter 
seien notwendig, um das Arbeiterproblem für die Munitionserzeugung zu 
lösen. Meiter sagt er: „Nur 15 Prozent der Maschinen, die Gewehre, 
Geichütze und Munition herstellen, arbeiten Tag und Nacht. Wären genng 
Arbeiter vorhanden, um überall Doppelschichten ein zuführen, so würden die 
Kriegsverluste geringer sein. Die Deutschen haben ihre Siege in Rußland 
mit geringeren Verlusten errungen, weil die deutschen Arbeiter Kanonen 
und Geschosse von starker Explosionskraft lieferten, die die russischen Schünzen- 
gräben vollständig in Stanb schossen. Der deutsche Sieg war das Ergebnis 
einer gewaltigen Organisation, die im letzten Winter vorbereitet war. Die 
deutschen Verluste waren dadurch nur etwa ein Fünftel so groß, als sie 
andernfalls hätten sein müssen. Die gelernten Arbeiter in England reichen 
jür die Aufgabe nicht aus. Man muß auf die ungelernten Arbeiter und 
Frauen zurückgreifen. Die Regierung verlangt daher, daß die Gewerk- 
schaften die entsprechenden Regeln über die Verwendung von ungelernten 
Arbeitern und Frauen für die Dauer des Krieges aufheben, soweit sie 
die Produktion hemmen. Die Unternehmergewinne beschränkte die Re- 
gierung, indem sie 75 Munitionsfabriken unter eigene Aussicht stellte, die 
95 Prozent aller Munitionsarbeiter beschäftigten. Die Regierung übernahm 
die Gewähr, daß nach dem Kriege die normalen Arbeitsbedingungen wieder- 
hergestellt werden und die Löhne für Stückarbeit nicht herabgesetzt werden 
und die ungelernten Arbeiter und Frauen die gleichen Löhne erhalten wie 
die gelernten. Während somit die Regierung ihr Versprechen hielt, hielten 
die Arbeiter es nicht überall. Die Arbeiter in Woolwich nahmen eine Re- 
solution gegen die Einstellung von ungelernten Arbeitern au. Wenn wir aber 
ungelernte Arbeiter nicht verwenden können, so rennen wir direkt ins Ver- 
derben. Wir können die kleinlichen technischen Einwände der Gewerkschaften 
nicht gelten lassen. Jede Stunde Versäumnis bedemet den Tod für unsere 
Soldaten. Die Arbeiter hielten aber auch darin ihr Versprechen nicht, daß 
die Beschränkungen in der Erzeugung aufhören sollten. In Coventry wurde 
ein Rundschreiben versandt, in dem es hieß, die Lente sollten weniger 
Arbeit leisten. Die belgischen Arbeiter wurden ausdrücklich davor gewarnt, 
die Gewerkschaftsregeln zu verletzen. 
Llond George schloß mit einem Lobliede auf Rußland, das jetzt frei 
würde und zu großer Macht und Majestät auferstehen würde. Die Arbeiter 
sollten zusehen, daß sie sich nicht die ganze Nation zu Gegnern machten. 
Am 11. Sept. wird einstimmig folgende Entschließung des parlamenta- 
rischen Ausschusses angenommen: Der Ausschuß ist ernstlich bekümmert 
über die gestrigen Erklärungen Lloyd Georges, der gewissen Gewerk-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.