Grsßbritamier. (September 14. 15.) 821
ordentliches. Aber können wir nicht noch mehr leisten? Spannen wir alle
Muskeln an, um die verlorene Zeit einzuholen? Bekommen wir alle
Männer, die wir im nächsten Jahre an die Front stellen wollen? Versteht
jedermann, daß Schlaffheit Ruin bedeutet? ... Wer wird, während die rus-
sischen Heere neu ausgerüstet werden, an ihrer Stelle in den Kampf ein-
treten? Frankreich kann nicht mehr leisten. Es bleibt nur Großbritannien
übrig. Der Weg, den es während der nächsten drei Monate einschlägt,
wird den Krieg entscheiden .“
14. Sept. Das Unterhaus tritt nach der Vertagung erstmalig
zusammen.
Asquith kündigt eine Kreditvorlage an und erklärt bei dieser Gelegen-
beit, einen Ueberblick über die Lage geben zu wollen. Es kam dann zu
einer kurzen Debatte über die Dienstpflicht. Asquith erklärte sich gegen die
Erörterung dieser Angelegenheit und sagte, wenn die Regierung eine Ent-
schließung gefaßt haben werde, würde die Angelegenheit dem Hause vorgelegt
und zum Gegenstand einer parlamentarischen Debatte gemacht werden.
14. Sept. Ein geheimer Kronrat unter Vorsitz des Königs
zur Prüfung der Frage der Einführung der Wehrpflicht, an dem
sämtliche Minister des Kabinetts teilnehmen, findet im Buckingham=
palast zu London statt.
15. Sept. (Oberhaus.) Lord Kitchener gibt folgenden Uber-
blick über die militärische Lage:
Während der letzten Monate ist die Front der Alliierten im Westen
so gut wie unverändert geblieben. Das bedeutet nicht, daß eine Erschlaffung
in der Tätigkeit auf den Schlachtfeldern eingetreten wäre. Die Stellungen
sind aufs außerste verstärkt nicht nur durch Anlage von Schützengräben,
sondern auch durch starke Vermehrung der schweren Kanonen. Die französi-
schen Gräben bilden ein Netzwerk schier undurchdringlicher Befestigungen.
Die Deutschen benutzten vor kurzem Gas und brennende Flüssigkeiten und
bewarfen unsere Linien mit Bomben, die erstickendes Gas ausströmen. Der-
artige Angriffe, die nichts Ueberraschendes mehr haben, verloren wegen
unserer Gegenmaßregeln viel von ihrer Wirkung.
French erhielt ansehnliche Verstärkungen. Die neuen Divisionen haben
jezt bereits Erfahrung in der Kriegführung, weshalb sie mit gutem Erfolg
in der Feuerlinie den Platz jedes anderen Teiles des englischen Heeres
einnehmen können. Mit diesen Verstärkungen von 11 Didvisionen konnte
French seine Front ausbreiten und noch ungefähr 17 Meilen von der fran-
zösischen Front übernehmen.
Ueber den östlichen Kriegsschauplatz sagte Kitchener: Es war
offenbar die Absicht der Deutschen, die russischen Armeen in der gegen-
wärtigen Gestalt zu vernichten, um dadurch bedeutende Truppenmengen
für andere Kriegsschauplätze frei zu bekommen. Aber wie andere Pläne
des deutschen Generalstabs, so führte auch dieser zu einem großen Miß-
ersolg. Zu den größten und verdienstvollsten Taten dieses Krieges gehört
die meisterhafte Weise, in der mit russischen Streitkräften gegenüber den
wütenden Angriffen des Feindes, der sowohl an Zahl wie an Kanonen
und an Munition überlegen war, operiert worden ist. Das russische Heer
blieb als Streitmacht unangetastet. Man darf nicht vergessen, daß Rußland
mu seinen ausgedehnten Gebieten immer imstande war, auch die größten
Einfallsarmeen zu umfassen und zu vernichten. Dazu ist es jetzt sicher nicht