Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Graßbritannien. (November 10./11.) 861 
treten sei, sei das Bündnis so sehr gestärkt worden, daß es nicht mehr eine 
bloße Vereinigung militärischer und maritimer Art sei, sondern eine Ver- 
einigung des Geistes freier Völker. Im Hinblick auf den Beitritt Japans 
zu dem Abkommen, keinen Sonderfrieden zu schließen, sagt Simon, die 
Zeit, über Friedensbedingungen zu sprechen, sei noch nicht gekommen. 
Balfour beantwortet einen Trinkspruch auf Heer und Flotte. Die 
ganze Strategie der Alliierten beruhe auf ihrem Uebergewicht zur See. 
Ohne dieses würde ihr Los jetzt ganz anders sein, als es gewesen sei und 
sein werde. Der Verrat des Königs der Bulgaren sei ein diplomatischer 
Sieg Deutschlands, den er nicht unterschätze. Die bulgarische Regierung 
werde von zwei einfachen Motiven beseelt, nämlich von Gier und Angst. 
Bulgarien werde später zu der Einsicht kommen, daß es einen großen 
Fehler begangen habe. Balfour sagt, er wolle weiter nichts über die 
Overationen und die Dauer des Krieges prophezeien, sondern nur sagen, 
daß er dem Ausgange ruhig entgegensehe. 
Asquith sagt, daß es in England jetzt, nach 15 Kriegsmonaten, nur 
eine Partei gebe; die Uneinigkeit sei verstummt, das Leben der Nation 
stieße in dem tiefen Bette der Eintracht und einstimmigen Entschlossenheit 
fort. Ueber Kitcheners Sendung erklärt A#quith: Kitchener will aus 
der Nähe und in enger Zusammenarbeit mit den britischen Vertretern und 
den der Alliierten den ganzen Zustand auf dem Balkan untersuchen. Seine 
Sendung wurde von den Alliierten mit ungeteilter Einstimmigkeit und 
warmer Sympathie begrüßt. Die Alliierten sind entschlossen, zusammen- 
zustehen und zu fallen. Alle vom weinde verbreiteten Gerüchte über Einzel- 
bestrebungen und Sonderfrieden sind eitles, wertloses Geschwätz. Ich setzte 
im vergangenen Jahr in diesem selben Saale auseinander, welches die 
ziele sind, die erreicht werden müssen, ehe die Alliierten die Waffen nieder- 
legen. Sie sind dieselben geblieben wie damals. Wir glauben, daß wir 
unserem Ziele ein gutes Ende näher sind. Der Weg mag lang oder 
kurz sein, wir werden nicht stehen bleiben oder zögern, ehe wir 
den kleineren Staaten Europas die Unabhängigkeit und Europa 
selbst und der ganzen Welt die Befreiung von der Gewalt- 
herrschaft gesichert haben. 
Der französische Botschafter Paul Cambon sprach im Namen der 
Vertreter von Englands Verbündeten. Er sagt: Die lange Dauer des 
Krieges lege den Blick in den Seelen der Völker frei: auf der einen Seite 
ruhiger Mut, Vertrauen und Glaube an die Ideale des Rechts und der 
Freiheit und der Entschlossenheit, nur ehrliche Verteidigungemittel anzu- 
wenden, auf der anderen Seite nur Gedanken an Gewinn, Außerachtlassung 
aller Grundsätze der Menschlichkeit, Zerstörung offener Städte, Tötung Un- 
schuldiger, eine Art perverser Freude daran, Böses zu tun, aus der Absicht, 
die Welt durch Schrecken zu beherrschen. Der Redner spielt dann auf die 
Hinrichtung der Cavell an und sagt: Solche verächtliche Handlungen ent- 
ehrten ein Volk und seine Regierung, sie verbreiteten keinen Schrecken, 
sondern erweckten Entrüstung und stärkten den Entschluß, Widerstand zu 
leisten, um den Krieg zu gewinnen. Aber das könne ein Deutscher nicht 
verstehen, denn der Bau seines Verstandes erlaube ihm nicht, über sich selbst 
hinauszusehen. Es fehle dem Deutschen an jedem psychologischen Verständnis. 
10. 11. Nov. (Unterhaus.) Neue Kreditvorlage von 400 Mil- 
lionen Pfund. 
Asquith teilt bei der Begründung der neuen Rreditforderung von 
400 Millionen Pfund mit, daß hierdurch der Gesamtbetrag der Kredite seit 
Beginn des Krieges auf 1662 Millionen Pfund gestiegen ist. Die Netto-
	        
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