Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

868 Grehbriiannien. (November 15.) 
nun sagt, daß ein derartiger Beschluß nicht gefaßt worden sei, dann berufe 
ich mich auf die Regierung und bitte sie, das Memorandum vorzulegen. 
Wegen dieses Beschlusses bin ich aus dem Kabinett ausgetreten. Später 
sind General Joffre und Millerand hier gewesen, um die Regierung zu 
bewegen, ihre Politil zu ändern, und erst nach dem Besuch Joffres, drei 
Wochen später, wurde beschlossen, zu der Politik überzugehen, die der 
Ministerpräsident im Unterhause auseinandergesetzt hat. Was drei Wochen 
vorher zu spät war, war drei Wochen später noch früh genug.“ Mehr 
wolle er über die Angelegenheit nicht sagen, da er es für nötig halte, sich 
soviel wie möglich der Darlegung von Dingen zu enthalten, von denen er 
als Mitglied der Regierung Kenntnis gehabt habe. 
Asquith antwortet und bedauert, daß der Konflikt zwischen Grey 
und Carson zur Sprache gebracht worden sei, zumal jetzt, wo die Lage 
Englands so delikat wie nur möglich sei. Asquith hält aufrecht, daß keinerlei 
Verspätung in der Entsendung der Truppen eingetreten sei und daß niemals 
beschlossen worden sei, keinerlei Truppen nach Serbien zu Hilfe zu senden. 
Es seien dann auch Truppen, nämlich eine Division, die von einem anderen 
Kampfplatze im Osten gekommen sei, geschickt worden. Andere Truppen 
seien — es sei wahr — nicht nach Saloniki oder nach den Dardanellen 
geschickt worden, sondern nach Alexandrien, um für jeden KRriegsschau- 
platz, wo sie nötig wären, bereit gehalten zu werden. Die Truppen für 
Serbien seien aber so rasch wie möglich abgeschickt worden. 
Nach dieser Antwort Asquiths sagt Trevelyan (Arb.Part.), der bei 
Ausbruch des Krieges als Unterminister für den Unterricht zurückgetreten ist, 
daß eine Frage eine große Anzahl von Menschen beschäftige, nämlich diese, 
inwieweit die Nation ihre eigenen Hilfsmittel überschätzt habe. Eine große 
Anzahl von Personen in England arbeitet nach dem Wahlspruch, daß Eng- 
land seinen Aushungerungskrieg fortsetzen müsse. Aber wie viele Jahre 
könne Deutschland es noch aushalten?! Niemand schätze es auf weniger 
als sechs Jahre, und die „Times“, die größte Anhängerin des Aushunge- 
rungskrieges, sogar auf zehn Jahre. Und ein derartiger Krieg würde 
England ebenso wie Deutschland vollkommen und unwiderruflich zum 
Untergang verurteilen. Das liberale Mitglied Booth ruft dazwischen: 
Wollen Sie den Krieg ausgeben? Trevelyan antwortet, er habe nicht für 
den Frieden um jeden Preis oder zu ungelegener Zeit gesprochen. Aber 
es sei nichts Unehrenvolles oder Erniedrigendes in der Tatsache, lieber durch 
Unterhandlungen als durch Kampf ein Ziel zu erreichen, wofür England 
in den Krieg gegangen sei. Die Methode der Unterhandlungen wäre weniger 
unglückselig und ebenso ehrenvoll und würde viel menschliches Leid ver- 
hindern und eine größere Garantie für einen dauernden Frieden bieten, 
da dann weniger Haß gesät würde. Trevelyan verlangt, daß die Regierung 
die Versicherung geben solle, daß sie, wenn neutrale Vermittler sich anbieten, 
oder wenn die Feinde Verhandlungsvorschläge machten und die Regierung 
hierauf nicht einginge, der Nation in jedem Falle mitteilen solle, welche 
Art von Anerbietungen gemacht worden seien. Trete aber die Regierung 
in Unterhandlungen ein, dann müsse sie dem Unterhaus baldigst die Be- 
dingungen mitteilen, die England in Uebereinstimmung mit seinen Ver- 
bündeten stellen würde. Die Regierung habe bereits versprochen, die Minister 
der überseeischen Kolonien ebenfalls zu Rate zu ziehen. 
Bonar Law erwidert: Wir haben heute zum ersten Male eine Art 
Rede gehört, deren wir noch viele hören werden, ehe der Krieg endet. 
Keine Rede konnte einen geringeren praktischen Wert haben. Der Vorredner 
nimmt an, daß die Regierung nicht bereit sei, die Ziele, für die wir kämpfen, 
ohne Kampf zu erreichen, wenn wir das auf diesem Wege können. Kann
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.