Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

886 Grehbritanuien. (Dezember 20.) 
stellung von Maschinengewehren bleiben unbenutzt, weil es uns an Arbeitern 
fehlt. Wir brauchen für die neuen Fabriken 80000 gelernte und 200000 
bis 300000 ungelernte Arbeiter. Davon hängt unser Erfolg im Kriege ab. 
Es ist töricht, von einer Ueberproduktion zu reden. Dieses Gerede dürfte 
aus deutschfreundlichen Kreisen stammen. Wir erreichen trotz unserer An- 
strengungen noch nicht die Produktion Deutschlands oder Frankreichs, und 
die Franzosen selbst halten ihre Produktion für ungenügend. Die Generale, 
die die Schlacht bei Loos mitgemacht haben, sagen, daß sie mit einer drei- 
fachen Menge an Munition ein zwanzigfaches Ergebnis erreicht haben 
würden. Lloyd George fährt fort: Nur acht Prozent der Maschinen, die 
Drehbänke herstellen, arbeiten des Nachts. An gelernten Arbeitern fehlt es. 
Wir haben alles getan, um gelernte Arbeiter von der Armee beurlauben 
zu lassen, aber wir sind dabei auf den größten Widerstand gestoßen. Wir 
können nicht viel erreichen, wenn die Gewerkschaften nicht zulassen, daß 
ungelernte Arbeiter und Frauen die Stellen von gelernten Arbeitern ein- 
nehmen. Die parlamentarischen Führer der Gewerkschaften haben dem zu- 
gestimmt, aber die örtlichen Gewerkschaften weigern sich. Wir müssen diesen 
Kampf in jedem Bezirke, in jeder Stadt und in jeder Fabrik ausfechten. 
Wir können das Munitionsgesetz nicht zur Anwendung bringen, wenn nicht 
die Arbeitgeber selbst ungelernte Arbeiter und Frauen an die Drehbänke 
stellen. 
Lloyd George schließt: Davon hängt der Sieg ab. Es ist die Frage, 
ob wir den Krieg binnen einem Jahre siegreich beenden können, oder ob 
es nicht zu spät sein wird! Dies ist ein verhängnisvolles Wort! Dorr 
sind wir zu spät hingegangen, hier sind wir zu spät angekommen. Wir 
haben diesen Entschluß zu spät gefaßt; wir haben unsere Unternehmungen 
zu spät begonnen. Wir kommen zu spät mit unseren Vorbereitungen. Die 
Heere der Alliierten sind beständig von dem höhnenden Gespenst des „Zu 
spät“ verfolgt worden, und wenn wir uns nicht beeilen, wird Verdammnis 
auf die heilige Sache fallen, für die so viel tapferes Blut geflossen ist. Ich bitte 
die Arbeitgeber und die Arbeiter, das „Zu spät“ nicht als Aufschrift über 
den Portalen der Munitonsfabriken zu wählen. Alles hängt von den aller- 
nächsten Monaten ab. Auf der letzten Konferenz der Alliierten in Paris 
sind Beschlüsse gefaßt worden, die den ganzen Verlauf des Krieges beein- 
flussen werden. 
Thomas (Arbeiterpartei) erklärt, es sei Pflicht der Regierung, als- 
bald in systematischer und geschäftsmäßiger Weise dem Arbeitermangel ab- 
zuhelfen. Das geschehe nicht dadurch, daß jedermann aufgefordert werde, 
nicht Munition herzustellen, sondern in die Armee einzutreten. Die Regie- 
rung trage eine große Verantwortung, denn jeder Arbeiter, der in die Armee 
eintrete, vermehre die Schwierigkeiten Lloynd Georges. Es sei Pflicht der 
Regierung, zu erklären, daß die Kriegsleistungen Englands in der Her- 
stellung von Munition und der Verstärkung seiner Finanzlage bestehen. 
müßten. Das sei die Rede Lloyd Georges, und die Nation sollte sie zu 
Herzen nehmen. 
Pringle (lib.) bittet dringend, daß die Ausschußberatung des Nach- 
trages zum Munitionsgesetz verschoben werde. Andere Abgeordnete schließen 
sich dem Wunsche an. Thorne sagt: Die Arbeiterpartei beschloß gestern 
einstimmig, um Verschiebung der Beratung zu ersuchen, und im Falle der 
Ablehnung gegen die Regierung zu stimmen. Hodge, der Vorsitzende der 
Arbeiterpartei, bestätigt dies, sagt aber, er persönlich könne nicht für den 
Aufschub stimmen, da Lloyd George ihm erklärt habe, daß ein Aufschub 
des Inkrafttretens des Gesetzes die Herstellung schwerer Geschütze im Tyne- 
bezirk aufhalten würde. Asquith gibt nach und beantragt Vertagung der
	        
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